Weßling:Verspieltes Vertrauen

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Wie in Weßling zwei umstrittene Bauvorhaben und ein unglückliches Agieren der Gemeinde die betroffenen Anwohner an der Politik und der Verwaltung verzweifeln lassen

Von Wolfgang Prochaska, Weßling

Die Sommer- und die Herbststraße in Weßling liegen in einem Viertel mit Einfamilienhäusern und Villen. Es geht dort ruhig zu. Oder vielmehr: Es ging dort ruhig zu, wie die Anwohner beklagen. Der Grund sind zwei umstrittene Bauvorhaben, die exemplarisch dafür stehen, wie unglückliche Entscheidungen durch die Gemeinde das Vertrauen der Bürger in die Verwaltung und die Politik aufs Spiel setzen. Nun sollen Richter die beiden Fälle entscheiden. Jeweils per Normenkontrollklage - was ungewöhnlich genug ist - gehen die Anwohner der beiden Straßen gegen die Gemeinde beziehungsweise gegen den zu Grunde liegenden Bebauungsplan vor.

Besonders unglücklich verlief die Sache in der Herbststraße. Am Ende der Sackgasse hatte der Verband Wohnen, der im Landkreis für den Sozialen Wohnungsbau zuständig ist, vor drei Jahren den Abriss der dortigen alten Wohnungen geplant. Ein moderner Neubau sollte entstehen. Zum Entsetzen nicht nur der Anwohner, sondern auch der Weßlinger Gemeinderäte plante der Verband ein einziges Gebäude mit 15 Wohnungen. Von einem "Riegel" war im Gemeinderat die Rede, und eigentlich gab man den Bedenken der Anwohner recht. Das Gremium stand damit aber vor der schwierigen Entscheidung: entweder günstigen Wohnraum schaffen oder diese Chance verstreichen lassen. Die Gemeinderäte entschieden sich dafür, die "Kröte", also den Bauriegel, zu schlucken.

Das erbost Daniel Göbel, der in unmittelbarer Nachbarschaft wohnt, immer noch: "Alternativ-Standorte wurden vom Tisch gewischt oder nicht geprüft." Zudem habe man versäumt, vor den Bauarbeiten die genauen Grenzen zu vermessen, findet er. Das Ergebnis: Sie wurden um bis zu 27 Zentimeter überschritten, so Göbel. "Ich bin kein Prozess-Hansel, ich habe noch nie geklagt, aber so geht es nicht." Er hat Antrag auf Normenkontrollklage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellt. Überprüft wird dabei - verkürzt dargestellt - ob die Festsetzungen eines Bebauungsplans rechtens sind. Göbel hat große Zweifel. "Ich will das jetzt durchziehen." Inzwischen steht das Wohngebäude, die Mieter sind schon lange eingezogen. Der Streit und der Frust aber dauern an, und das Vertrauen in die Gemeinde ist bei Göbel dahin. Die Gemeinde Weßling hält die Genehmigung für das Wohngebäude weiter für richtig.

Noch unglücklicher agierte man im Weßlinger Rathaus in der Sommerstraße, oder wie der Bebauungsplan offiziell heißt "Westlich Sommerstraße/Sauwiese". Just im Bebauungsplan wurde - wie man später feststellte - die Bauhöhe für ein Wohnhaus nicht festgelegt, sodass auf diesem Grundstück ungewöhnlich große Baumöglichkeiten entstanden - zum Entsetzen der Nachbarn. Was sie genau so aufbrachte, beschreibt Anwohner Florian Pfisterer so: "Eine Rodung mitten im Juni zerstört die ortsbildprägende Waldkulisse." Das war vor fünf Jahren. Seitdem zieht sich der Streit mit immer neuen Wendungen bei der Aufstellung eines Bebauungsplans hin, bei dem inzwischen auch das Landratsamt Starnberg eingeschaltet ist. Abgeschlossen ist die Auseinandersetzung immer noch nicht. Immer wieder gerät das Ganze ins Stocken. Die Gründe kennen die Anwohner nicht. "Anscheinend gibt es Fehler. Von welcher Art diese sind, bleibt das Geheimnis der Kreisbehörde und der Gemeinde", sagt Pfisterer. Sein Fazit nach 13 Jahren: "Die Nachbarn der Sommerstraße leiden und warten." Nun reicht es Pfisterer: Er hat Antrag auf Normenkontrollklage beim Verwaltungsgerichtshof gestellt. Die Vorwürfe lauten: kein ausreichender Brandschutz, fehlende Erschließung und keine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Bürgermeister Michael Muther räumte auf Anfrage ein, dass es möglicherweise "Verfahrensfehler geben" könnte. "Wir haben die Unterlagen dem Gericht überstellt." Man werde dann sehen. Das kann zum Leidwesen der Anwohner dauern.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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