Weßling:Rarität in der grünen Senke

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Für ihr einfühlsames Spiel an der Harfe haben Johanna Schellenberger und Julián Stiven Cárdenas Veloza schon einige Preise eingeheimst. (Foto: Nila Thiel)

Zwei junge Harfenisten stellen in der Wallfahrtskirche Grünsink Musik aus drei Jahrhunderten vor. Als Duo präsentieren sich Johanna Schellenberger und Julián Stiven Cárdenas Veloza aber nur zwei Mal

Von Reinhard Palmer, Weßling

Die Wallfahrtskirche Grünsink ist eine wahre Perle aus dem ländlichen 18. Jahrhundert. Ohne den vorbeidonnernden Straßenverkehr wäre die "grüne Senke" absolut magisch - und wohl auch nicht restaurierungsbedürftig. Zum Glück gibt es zumindest die Grünsinker Konzerte, die das schlichte Kleinod des bayerischen Spätbarocks alljährlich in besonders reizvollem Licht in Szene setzen. Klang gehört schließlich zum Gesamtkontext der Kunstepoche ebenso dazu wie Fresken und Stuckornamentik.

Trotz bestem Biergartenwetter fanden denn auch viele Besucher den Weg zur Waldlichtung, um dort eine Rarität zu erleben. Zwei junge Harfenisten stellten in der intimen Atmosphäre der winzigen Kirche Harfenliteratur aus drei Jahrhunderten vor. Beide sind noch Studenten - Johanna Schellenberger in München und der Kolumbianer Julián Stiven Cárdenas Veloza in Amsterdam - und doch bereits im internationalen Konzertbetrieb angekommen und mit vielen Preisen ausgezeichnet. Schade war, dass die Virtuosen meist solistisch auftraten und nur zum Auftakt mit dem feierlich-hymnischen Prélude von Marcel Lucien Tournier sowie in der feurigen Zugabe mit der "Danza Española" aus der Opernsuite "La vida breve" von Manuel de Falla die Klang- und Nuancenfülle eines temperamentvollen Duos zum Besten gaben. Zwei Harfen haben gemeinsam schon eine mächtige Substanz zu bieten, die trotz der Wärme und weichen Plastizität im Klang der Instrumente auch viel Kraft und Energie vermitteln können.

Es gab Unterschiede im Zugriff der beiden Musiker, die durchaus geschlechtstypisch sein können. Während der vier Jahre ältere Veloza mit Verve stets die Klangfülle suchte und mit der Harfenmusiktradition seiner Heimat im Hintergrund sicher und temperamentvoll in die Saiten griff, formte Schellenberger klangfarblich differenzierter und mit viel Aufmerksamkeit fürs Detail, ohne die große Form aus dem Blick zu verlieren. Aber auch sie war keineswegs zimperlich und schwang sich immer wieder in den Höhepunkten zu satter Klangsubstanz empor. Für den Zugriff war aber auch die jeweilige Literatur mitverantwortlich. Ihre Vielfalt gab den Musikern reichlich Anlass, das gestalterische Spektrum der Harfe im weiten Umfang auszukosten. In Scarlattis Sonata-Andante e cantibile A-Dur K. 208 konnte sich Schellenberger dem melancholisch fließenden Duktus hingeben. Aber dann ging es ins 18. Jahrhundert, wo Louis Spohr etwa in den Variationen über "je suis encore dans mon printemps" op. 36 schon ein weites Ausdrucksspektrum im dichten Spielduktus vorsah. Ähnlich seine Fantasie op. 35, in der Veloza konzertante Dramatik entfachte.

Für einige Eigenschaften ist die Harfe aufgrund ihrer spieltechnischer Eigenheiten absolut prädestiniert, so etwa für Lyrik und Melos, ebenso für filigrane Leichtigkeit und wogende Fülle. Die französischen Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts im Programm setzten explizit auf diese Stärken. So etwa die Sonata von Germaine Tailleferre von 1957, deren melancholischen Mittelsatz Veloza mit einem beschwingten Kopfsatz und einem farbenfrohen, leichten Schlusssatz rahmte. Den narrativen Aspekt nutzten vor allem die Schöpfer programmatischer Musik, wie Henriette Renié in "Legende d'apres les elfes de Leconte de Lisle", Gabriel Fauré in "Une Châtelaine en sa tour" und Marcel Lucien Tournier in "Images suite 3". Eine Überraschung war wohl die Sonate für Harfe von Paul Hindemith von 1939: Schellenberger eröffnete sie in der Einleitung mit feierlicher Größe. Der Komponist legte die Rahmensätze sinnierend an, während Schellenberger das Zentrum rhythmisiert in Bewegung hielt, um kraftvolle Virtuosität aufbrausend zu akzentuieren. Begeisterte Ovationen auch noch nach der Zugabe.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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