Wertstoffhöfe:Altkleider, Ampeln und Aggression

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Geschenke für die Mitarbeiter: Awista-Vorstand Christoph Wufka verteilt "Care-Pakete" auf dem Starnberger Wertstoffhof. (Foto: Nila Thiel)

Das Unternehmen Awista blickt aufs Corona-Jahr zurück: Viele Keller wurden ausgemistet, es gab auch anstrengende Kunden

Von Christine Setzwein, Starnberg

Die Mitarbeiter auf den Recyclinghöfen im Landkreis Starnberg sind einiges gewohnt. Dass sie mitunter angepöbelt werden, weil sie auf Sortenreinheit der angelieferten Wertstoffe bestehen, weil Gipskartonplatten nicht im Bauschutt landen dürfen oder Styropor nur blitzsauber und zerkleinert angenommen wird, ist nicht neu. Im Corona-Jahr 2020 aber nahmen die Beschimpfungen - es kam sogar zu Handgreiflichkeiten - noch einmal zu. Deswegen und weil der Schutz von Mitarbeitenden und Kunden vor einer Corona-Infektion nicht mehr gewährleistet werden konnte, entschloss sich das Kommunalunternehmen Abfallwirtschaft Starnberg (Awista) zu einem drastischen Schritt: Am 20. März wurden alle Wertstoffhöfe einschließlich der Kompostieranlage Hadorf geschlossen. "Wir haben ja nicht nur junge Leute draußen, sondern auch solche, die der Risikogruppe angehören", blickte Awista-Vorstand Christoph Wufka jüngst in einem Pressegespräch zurück. Sie sollten auf den Anlagen nicht mehr eingesetzt werden. Dazu hätten sich "stellenweise unakzeptable Szenen abgespielt, die Kunden reagierten immer aggressiver auf die Anliegen und Zurechtweisungen des Personals". Bis 14. April blieben die Wertstoffhöfe zu.

Und das in einer Zeit, in der die Menschen wegen Ausgangsbeschränkungen, Home-Office und Kurzarbeit das Ausmisten entdeckt hatten. Die Altkleidercontainer füllten sich dermaßen, dass im April ein Aufruf an die Bevölkerung erging, doch bis nach den Pfingstferien nichts mehr einzuwerfen. Dazu kam, dass wegen der temporären Grenzschließungen der Waren- und Wirtschaftsverkehr in Europa erschwert wurde. Das hatte laut Wufka vor allem Folgen für die Vermarktung von Altmetall, Gipskarton und Alttextilien.

Wer seine Keller ausmistet, produziert Sperrmüll, wer zu Hause arbeitet, produziert mehr Bio- und Restmüll, Papier, Pappe und Karton. In diesen Fraktionen stieg die Abfallmenge in den ersten drei Quartalen 2020 um drei Prozent. Pro Kopf sind das acht Kilogramm mehr Müll oder 1000 Tonnen mehr als in den vergangenen vier Jahren. "Dabei wollten wir runterkommen von den Mengen", bedauerte Wufka. Dagegen sank die Menge an Gewerbemüll. Schulen, Gastronomiebetriebe und Freizeiteinrichtungen passten Abfuhrrhythmen und Tonnengrößen den gesunkenen Abfallmengen an, was wiederum zu Gebührenausfällen führte. Wie hoch die finanziellen Auswirkungen tatsächlich sind, werde erst der Jahresabschluss zeigen. Fest stehe: "Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind auch in der Abfallwirtschaft im Landkreis Starnberg angekommen."

Trotz allem habe sich das Awista als stabiler Dienstleister etabliert, meint Wufka. "Die Tonnen wurden immer geleert", die Wertstoffhöfe seien bald wieder geöffnet, Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt worden. Alle Anlagen - außer in Feldafing, Gauting-Buchendorf und Königswiesen - wurden mit einer Ampel ausgestattet. Als die Wertstoffhöfe nach und nach wieder aufmachten, wurde teilweise Security eingesetzt zur Überwachung der Hygiene- und Abstandsregeln. Als der Andrang nach dem ersten Lockdown so groß war, dass sich lange Autoschlangen vor einigen Wertstoffhöfen bildeten, wurden Auszubildende mit Handzetteln geschickt, auf dem die Adressen benachbarter Annahmestellen standen.

Auch in die Sicherheit der insgesamt etwa 100 Mitarbeiter investierte das Awista, berichtete Wufka. Bereits im März sei eine Corona-Task-Force eingesetzt worden. Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel wurden angeschafft, wer konnte und wollte, ging ins Home-Office. Wegen der nachgewiesenen Infektion eines Mitarbeiters wurde bisher nur der Wertstoffhof in Herrsching eine Woche geschlossen.

Auf sein Personal lässt Vorstand Wufka nichts kommen: Die Corona-Sonderzahlung wurde ausgeschüttet, zwischen 300 und 600 Euro pro Mitarbeiter. Und weil es heuer keine Weihnachtsfeier "zum Loben" gab, fuhr der Chef persönlich zu den Wertstoffhöfen und verteilte "Care-Pakete".

© SZ vom 31.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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