Utting:Mit dem Dorf um die Kirche

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Beim Ritt um die Leonhardskirche in Utting werden die Pferde gesegnet. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bei den Leonhardiritten am Wochenende in Utting, Wengen, Pähl und Wessobrunn wird 500 Jahre altes Brauchtum wiederbelebt

Von Armin Greune, Utting

Seit mehr als 500 Jahren gehören Leonhardifahrten und -ritte zum bayerischen Brauchtum. Um den 6. November herum, den Gedenktag des Heiligen Leonhards, werden zu Ehren des Schutzpatrons der Nutztiere Wallfahrten unternommen. Dabei stehen traditionell die Pferde im Mittelpunkt, die früher als Last- und Arbeitstiere unentbehrlich waren. "Nach der vielen Arbeit Schwere, an Leonhardi die Rösser ehre" lautet eine Bauernregel. Die wohl größte Prozession ist am Freitag wieder in Bad Tölz. Trotz des schweren Unfalls im Vorjahr werden zur 160. Leonhardifahrt wieder 82 Gespanne und bis zu 25 000 Zuschauer erwartet. Tölz bemüht sich sogar darum, dass ihre Veranstaltung in die Unesco-Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen wird.

Am Ammersee oder im Pfaffenwinkel wird dieser "Alleinvertretungsanspruch" kaum auf großen Beifall stoßen: Auch wenn die Leonhardifeiern in Utting und St. Leonhard bei Wessobrunn wesentlich bescheidenere Teilnehmer- und Zuschauerzahlen aufweisen, können sie wohl auf eine mindestens ebenso lange Historie zurückblicken wie die in Tölz. In Utting etwa ist die Tradition vermutlich älter als die dem Patron gewidmete, 1712 fertiggestellte Filialkirche an der Dießener Straße. Ein schriftlicher Beleg eines Leonhardiritts im Ort findet sich zwar erst aus dem Jahr 1780, doch die Pfarreiengemeinschaft verweist auf Quellen, die bereits 1510 die Verehrung des Heiligen in Utting nahelegen. Als "Kettenheiliger" war der im sechsten Jahrhundert gestorbene Leonhard von Limoges zunächst Schutzpatron der Gefangenen. Seit dem Mittelalter galt er als Nothelfer, vor allem aber als Schutzpatron für das Vieh, was ihm im Volksmund den Spitznamen Bauernherrgott einbrachte. Doch auch Knechte, Fuhrmannsleute, Schmiede, Schlosser, Obsthändler und Bergleute riefen ihn an. Im Zuge der Säkularisation wurden 1809 alle religiösen Umritte in Bayern untersagt. Als König Ludwig I. das Verbot 1833 aufhob, war die Tradition der Leonhardiritte vielerorts erloschen.

In Utting konnte sie erst 1982 vom Leonhardiverein wiederbelebt werden. Auch heuer werden zehn bis 15 von den örtlichen Vereinen aufwendig dekorierte Festwagen, einige private Kutschen und 120 bis 180 Teilnehmer erwartet, sagt der Vereinsvorsitzende Michael Bauer. Bei der Prozession sind wieder die reich geschmückte Leonhard-Reliquie, die vom bekannten Barockbildhauer Lorenz Luidl gefertigte Heiligenfigur, Darstellungen aus der biblischen Geschichte und die Miniaturversion der Kirche auf den Festwagen zu sehen. Die Feier in Utting beginnt am Sonntag umneun Uhr mit dem Gottesdienst in St. Leonhard. Um 10.15 Uhr folgt der Festzug mit Pferdesegnung und Umritt.

Im Dießener Ortsteil Wengen veranstaltet die Burschenschaft des Dorfs am Samstag ihren Leonhardiritt. Der Gottesdienst beginnt um 9.30 Uhr, nach der Messe folgt der dreimalige Ritt um die Kapelle mit Pferdesegnung, die Veranstalter rechnen mit 30 bis 40 Teilnehmern. Und auch Pähl lädt am Sonntag wieder zur Leonhardifeier ein: Um 10 Uhr startet der Zug zur Leonhardskapelle. 15 Kilometer weiter südwestlich, in der Gemeinde Wessobrunn, ist sogar ein ganzes Dorf nach dem Schutzpatron benannt: In St. Leonhard im Forst wurde schon um 1450 der erste Leonhardiritt abgehalten. Zur Zeit der Säkularisation zahlten die Forster Bauern sogar Strafgebühren, um ihren Brauch aufrecht zu erhalten. Heuer beginnen Prozession und Weihe am Freitag um 10.30 Uhr, abends ist von 20 Uhr an Leonharditanz im Gasthof Bayerischer Hiasl.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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