Tutzinger Partnergemeinde:Vormittags dürfen nur Senioren einkaufen

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Wie Freunde in Balatonkenese am Plattensee die Corona-Krise erleben

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Die Fahrt zu den ungarischen Freunden an den Plattensee war schon fest für diesen Mai geplant. Aber wegen der Corona-Pandemie musste der Freundeskreis Tutzing-Bagnéres-Balatonkenese die Reise an Christi Himmelfahrt absagen. Die Vorsitzende Stefanie von Winning bedauert das sehr. Nach knapp zwei Jahren, als eine Delegation aus der ungarischen Partnergemeinde zur Kulturnacht gekommen war, wollte man die Bande wieder fester knüpfen.

Der harsche Anti-EU-Kurs von Viktor Orbán schreckt etliche Freundeskreismitglieder ab. Dazu kommt, dass die Partnergemeinde einen neuen Bürgermeister hat und der Vorsitzende des dortigen Partnerschaftsvereins, Tibor Juhász, gestorben ist. Auf privater Ebene funktionieren Beziehungen aber nach wie vor. So tauscht sich die Tutzingerin Lieselotte Garke regelmäßig mit Katalin Wabnegger aus, der früheren Angestellten im Rathaus von Balatonkenese, die gut Deutsch spricht. Wabnegger berichtete am 27. April, dass es bis dahin keinen bekannt gewordenen Corona-Fall in Balatonkenese gegeben habe. In der dazu gehörenden Region Veszprém am Plattensee seien ihrer Kenntnis nach 48 Fälle bestätigt, in ganz Ungarn mit 9,8 Millionen Einwohnern 2284 Infektionen. Rund 50 000 Tests seien gemacht worden.

Musste zwei Wochen in Quarantäne: die Studentin Mia Juhász, die aus der Tutzinger Partnergemeinde am Plattensee stammt. (Foto: Privat)

Wegen der Ausgangsbeschränkungen hat die 65-Jährige wie viele andere Ältere schon seit fünf Wochen ihr Haus nicht verlassen. "Ich arbeite in meinem Garten, koche täglich, auch für die Familie, und ich mache auch ein bisschen Gymnastik. Mit den anderen Familienmitgliedern, mit Freunden und Bekannten halte ich nur per Telefon den Kontakt. Ich lese sehr viel, ich löse gern Rätsel, und abends spielt die Familie Karten. Die Nachbarn besuchen wir auch nicht. Wir sprechen nur durch den Zaun miteinander, natürlich einen größeren Abstand haltend", schildert sie der SZ ihren gegenwärtigen Alltag. Abends um 20 Uhr geht sie, wie viele Ungarn, hinaus auf Terrasse, Balkon oder in den Garten, und beklatscht alle, "die für uns ihr Leben, ihre eigene Gesundheit riskieren". Es werde auch viel gebetet. "Denn wir erwarten auch von dort oben Hilfe."

Am Plattensee haben viele Budapester ihre Ferienhäuser, Fluchtorte aus der Stadt, in der Zweidrittel aller Ansteckungen registriert wurden. Damit es am See nicht zu locker zugeht, sind Teile der Promenade gesperrt. Der Rathauschef von Balatonkenese, Jurcsó János, habe den Besuch von Plätzen und Sehenswürdigkeiten verboten, die bei Touristen besonders beliebt seien, so Wabnegger .

Mia Juhász, 20-jährige Enkelin des früheren ungarischen Partnerschaftsvorsitzenden, ist gern gesehener Gast in Tutzing. Die Studentin war sogar noch im März mit einer Freundin zu Besuch bei Margit Schubert und Jochen Günther am Starnberger See. Als begeisterte FC-Bayern-Anhängerinnen hatten die beiden Karten für das letzte Spiel der Bayer gegen den FC Augsburg am 8. März in der Allianz Arena ergattert. Als sie heimkehrten, sei die Freundin allerdings umgehend von ihrer Schule nach Hause "geschickt" worden, erzählt Mia über Corona-Maßnahmen in Ungarn . Sie selbst wollte zu ihrem Job als Hilfskraft in einer Schule, aber der Chef habe auch ihr gesagt, sie müsse eine Woche daheim bleiben - daraus seien dann zwei Wochen geworden. Sogar Mias Geschwister durften nicht zur Schule gehen. Der Alltag ist in Ungarn ähnlich eingeschränkt wie in Deutschland. Lebensmittelgeschäfte und einige Läden des täglichen Bedarfs sind offen, Restaurants immerhin bis 15 Uhr. Für Rentner gelten gesonderte Regeln: Sie dürfen nur von 9 bis 12 Uhr einkaufen gehen, andere zu der Zeit nicht. Alle müssen in Läden und an öffentlichen Orten wie der Post Mundschutz tragen. Empfohlen wird er für überall. Für die Region am Plattensee, die überwiegend vom Tourismus lebt, bedeutet die Pandemie große Einbußen. "Fast alle Hotels und Apartments sind geschlossen. Die Touristen dürfen viele Dinge nicht machen, also sind wenige am See", so Mia Juhász. Die Studentin der Wirtschaftswissenschaften hat nur zwei Stunden die Woche Online-Uni. Sie vertreibt sich die Zeit mit viel häuslichem Sport und Backen und hilft ihren Geschwistern bei den Schulaufgaben. Was sie wirklich traurig findet: Ihre alleinstehende Oma, für die die Familie einkauft, könne sie nur manchmal im Garten kurz sehen. Freunde treffen gehe natürlich auch nicht.

Auch die Straßen entlang des Balaton sind nahezu leer. (Foto: privat/oh)

"Es ist schwer", fasst die junge Ungarin die Situation zusammen, die sich momentan wenig von der gleichaltriger Deutscher unterscheidet. Mia Juhász sagt es so: "Ich denke, die Menschen müssen zusammenhalten und ruhig sein!"

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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