Tutzinger Ausstellung:Aus Liebe zur Baumwolle

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Sophia Pfeufer vor einem Modell der "Bayerischen Textilwerke" in Tutzing, die 2001 geschlossen wurden. (Foto: Nila Thiel)

Das Ortsmuseum zeigt eine bemerkenswerte Ausstellung zur Geschichte der Bayerischen Textilwerke

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Auf dem Tisch stehen Original-Maßkrüge aus Steingut der ehemaligen Schlossbrauerei Tutzing; an der Decke hängt die vergoldete Holzfigur einer Taube, der Heilige Geist. Bei Familie Lindemann wurde diese Figur über dem Esstisch ganz profan "Suppenbrunser" genannt, denn an der Taube sammelte sich einst der Dampf vom Essen, kondensierte und tropfte auf die Teller. Heute sind die Möbel mitsamt "Suppenbrunser" Teil der Sonderausstellung "Stoff aus Tutzing Bayerische Textilwerke" im Ortsmuseum Tutzing. Sie ist bis Ende Oktober zu sehen.

Wie Museumsbetreuer Gernot Abendt bei der Vernissage am Donnerstag berichtete, war zunächst eine Ausstellung über die ehemalige Schlossbrauerei Tutzing geplant. Damit wollte man dem Jubiläumsjahr zum 500-jährigen Bestehen des Reinheitsgebots Rechnung tragen. Doch leider kamen nicht genügend Exponate zusammen. Da schlug Cornelia Pfeufer, die Enkelin des Gründers der Bayerischen Textilwerke vor, die Firmengeschichte des Stoffherstellers mit dazu zu nehmen. Herausgekommen ist eine Ausstellung, die nicht nur ein Jahrhundert Tutzinger Geschichte dokumentiert, sondern auch die einer typischen Industriellenfamilie, die schwere Zeiten zwischen zwei Weltkriegen mit Wirtschaftskrisen überstehen musste.

Bürgermeister Rudolf Krug überließ das Grußwort seiner Stellvertreterin Elisabeth Dörrenberg, da sie ebenfalls eine Enkelin des Firmengründers Lothar Lindemann ist. Ihren Angaben zufolge begann die Geschichte der Textilwerke mit einer Liebesgeschichte, die etwas an Sisi, die spätere Kaiserin von Österreich, erinnert.

Demnach war Dörrenbergs Großmutter Frieda Bindernagel die Tochter eines Unternehmers aus Alexandria, der ägyptische Baumwolle herstellte. Sie sollte mit dem ältesten Sohn der Handelsfamilie Lindemann aus Dresden verheiratet werden, die mit ägyptischen Baumwollstoffen handelte. Allerdings verliebte sich Frieda nicht in den älteren, sondern den jüngeren Bruder Lothar Lindemann: Die beiden heirateten. Da das junge Ehepaar nach dem Ersten Weltkrieg jedoch nicht mehr zurück nach Ägypten konnte, musste es sich eine neue berufliche Perspektive suchen. Friedrich Nepker, ein Bekannter Lothar Lindemanns, hatte gerade die still gelegte Schlossbrauerei in Tutzing erworben. Zusammen mit den beiden Lindemann-Brüdern gründete er ein Firmenkonsortium zum Druck von Stoffen. Nach Angaben von Cornelia Pfeufer, die die Textilwerke bis zu ihrer Schließung geleitet hatte, war der Grund für den Standort in Tutzing nicht nur die schöne Lage, sondern insbesondere die - für die damalige Zeit - sehr gute Infrastruktur mit Wasserrechten am Starnberger See und der Zuganbindung nach Penzberg und Peißenberg zur Anlieferung von Kohle.

Nach Höhen und Tiefen kam im Jahr 2001 das endgültige Aus für die Textilwerke. Das Unternehmen konnte mit der ausländischen Billigkonkurrenz nicht mehr mithalten. Den letzten Ausschlag gab laut Pfeufer aber die Konkurrenz aus den neuen Bundesländern im Osten: Diese Unternehmen wurden nach dem Mauerfall in den 90er Jahren stark subventioniert und zahlten zudem wesentlich günstigere Löhne. "Wir mussten leider die Segel streichen und 80 Leute entlassen", sagte sie. Noch heute ärgert sie sich darüber, dass diese Firmen, die das Aus des Tutzinger Unternehmens mit verursachten, ebenfalls nicht überlebten. Wie Pfeufer explizit betont, haben die Textilwerke nicht Konkurs gemacht: Sie mussten schließen. Die Mitarbeiter aber seien alle ausbezahlt worden.

Das Tutzinger Ortsmuseum (Graf-Vieregg-Straße 14) hat am Mittwoch, Samstag und Sonntag geöffnet von 13 bis 17 Uhr.

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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