Tutzinger Flüchtlingsunterkunft:Zeltdorf mit Jägerzaun

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Die neuen Zelte besichtigen (v.l.) Barbara Beck, Rudolf Krug, Stephan Hinze, Christian Kühnel, Elisabeth Dörrenberg, Georg Scheitz und Stefan Derpa. (Foto: Nila Thiel)

Noch 1000 neue Plätze muss der Landkreis bis Dezember für Flüchtlinge schaffen. Es muss also schnell gehen. In Tutzing steht jetzt die erste mobile Anlage für 128 Asylbewerber. Ein Besuch

Von Wolfgang Prochaska, Tutzing

Es ist ein Dorf in Weiß. Ein Zeltdorf, wohlgemerkt. Es steht am Rande von Tutzing, in der Nähe des Südbades auf dem ehemaligen Volksfestplatz. Eine Gegend, die eher dem vergnüglichen Zeitvertreib dient. Ein paar hundert Meter entfernt ist auch der neue Beachvolley-Platz. Das weiße Zeltdorf hat aber einen sehr ernsten Hintergrund. Hier werden Ende dieser Woche - genau weiß man es noch nicht im Landratsamt Starnberg - 128 Flüchtlinge wohnen. Menschen, die viel erlebt haben, Familien mit ungeheuren Schicksalen, Kinder, Männer und Frauen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan. "Wir wollen den Getto-Charakter vermeiden", sagte Tutzings Bürgermeister Rudolf Krug bei der Besichtigung der Zeltanlage am Montagmittag mit Vertretern des Landratsamts und dem stellvertretenden Landrat Georg Scheitz. Deshalb auch die Farbe Weiß. Krug hat auch einen Jägerzaun an der Seestraße errichten lassen. Es sind die kleinen Dinge, die in gewissen Situationen zählen. Wie eben ein Jägerzaun, der den Flüchtlingen zeigen soll, dass sie angekommen und willkommen sind.

Das Tutzinger Zeltdorf ist das erste seiner Art im Landkreis. In Berg und in Krailling werden in den kommenden Wochen ähnliche errichtet. Bis Ende des Jahres muss die Kreisbehörde 1000 neue Plätze schaffen. 1500 Flüchtlinge werden dann hier wohnen. Von "größter Herausforderung" spricht man im Landratsamt. Aber Christian Kühnel, der Kreisbaumeister, ist guter Hoffnung, dass man auch diese Aufgabe meistern wird. Der Rückgriff auf Zelte ist einer neuen Strategie geschuldet, die davon Abstand genommen hat, Turnhallen zu belegen. In der Kreisbehörde stellte man nachträglich fest, dass belegte Turnhallen mehr Probleme machen als lösen: Der Sportbetrieb der Vereine muss eingeschränkt werden, und der Sportunterricht kann nur teilweise stattfinden. Da boten sich die Zelte als kurzfristige Lösung an. Wobei kurzfristig eine Auslegungssache ist. Bekanntlich ging man in Tutzing von drei Monaten aus. Im Landratsamt sollte die Zeltanlage zwei Jahre nutzbar sein und stehen bleiben, schon aus wirtschaftlichen Gründen. Krug und Landrat Karl Roth haben sich vor zehn Tagen auf ein Jahr geeinigt. Danach, so erläutert Krug, werde man alles auf dem Prüfstand stellen und neu verhandeln. "Wir werden schauen, wie die Situation ist."

Bei den Zelten handelt es sich um Thermozelte, die auch die Bundeswehr und die Nato im Ausland benutzt. Wie Stephan Hinze vom Landratsamt erläuterte, sind diese doppelwandig und können daher gut die Wärme speichern, wenn sie im Winter beheizt werden. Ein Gebläse pustet die Luft in einen länglichen Sack, der an der Decke hängt. Von dort verteilt sich die warme Luft gleichmäßig in die Räume. Die kleineren Zelte, die wie ein Wabe ineinander verflochten sind, sind für Familien vorgesehen. Sie haben auch nur zwölf Plätze pro Raum, 48 Flüchtlinge werden hier wohnen. Dazu gehören noch Räumlichkeiten für den Aufenthalt, für die Sanitär-Einrichtungen, für die Küche und für die Körperpflege. Die größere Anlage steht auf dem Volksfestplatz gleich nebenan und umfasst Schlafplätze für 80 Menschen. Hier sollen hauptsächlich männliche Flüchtlinge wohnen.

Wie auch in Feldafing, Inning und Weßling wurde die Firma Jonas Better Place beauftragt, die Logistik zu übernehmen. Es werde einen Sicherheitsdienst geben und vier Mitarbeiter, die rund um die Uhr als Ansprechpartner fungieren, sagt Aufnahmeleiter Tobias Geyer von Jonas Better Place. Um eventuelle Streitigkeiten unter den Asylbewerbern zu verhindern, sind auch Mitarbeiter im Einsatz, die sieben-sprachig sind. "Wir haben bisher keine großen Auseinandersetzungen gehabt." Ganz wichtig, das habe er gelernt, sei die Beschilderung. Sie müsse vorher da sein, nicht später. Einen Sichtschutz wird die Anlage auch erhalten - in Weiß natürlich.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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