Tutzing:Von alten Bräuchen und alten Zöpfen

Lesezeit: 2 min

Brauchtumspflege ist ihr Ding: Die Tutzinger Gilde feiert ihr 40-jähriges Bestehen und erhält den Hausenstein-Kulturpreis der Gemeinde

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Am Anfang der Tutzinger Gilde stand eine Hochzeit. Der Fischerssohn Michael Gröber aus Tutzing vermählte sich wohl um 1812 standesgemäß mit Veronika Bierbichler aus Ambach, die ebenfalls aus einer angesehenen Hoffischerfamilie stammte. Ein großartiges Fest, das damals die Anrainer des noch Würmsee genannten Starnberger Sees in ihren Bann zog. In Tutzing erinnerte man sich 1929 an diese Fischerhochzeit und spielte sie nach, wiederholte das liebevoll inszenierte Historienspiel 1935 und dann wieder 1953 zur 1200-Jahrfeier des Ortes. Ein Verein hatte die Festivitäten unterstützt, verschwand aber wieder in der Versenkung. Im Vorfeld der Fischerhochzeit 1975 stieß der damalige Bürgermeister Alfred Leclaire die Neugründung des Vereins Tutzinger Gilde an. Seitdem prägen die 200 Mitglieder dieses Heimat- und Brauchtumsvereins das Vereinsleben in Tutzing ganz wesentlich und sind auch über den Ort hinaus gefragt. Etwa beim Oktoberfestzug in München. Im Rahmen des diesjährigen Tutzinger Volksfestes vom 2. bis 6. Juli auf der Wiese vor dem Rathaus wird die Tutzinger Gilde ihren 40. Geburtstag gebührend feiern.

1929 spielte Tutzing erstmals die historische Fischerhochzeit nach. (Foto: oh)

Merkwürdig mutet der Name "Gilde" an, den die Gründer wählten. "Er sollte die Verbundenheit mit dem Berufsstand der Fischer unterstreichen", so die heutige Gildenmeisterin Carola Falkner. Sie hebt auch die Bedeutung der historischen Tracht der Fischer hervor, wie sie im 19. Jahrhundert am Starnberger See getragen wurde. Das Gwand mit Hilfe eines Heimatforschers möglichst originalgetreu nachzubilden, hatte sich die Gilde zur Aufgabe gemacht. Heute tragen die Frauen bei offiziellen Anlässen ein geschnürte Seidenmieder, ein Jäckchen mit Keulenärmel, einen schwarzen langen Wollrock, dazu die unverheirateten Mädchen ein silber- oder goldfarbenes "Krandl", ein Krönchen, auf dem Kopf, die älteren Frauen eine Kopfbedeckung aus Otterfell. Die Männer treten auf in Lederhose, Seidenweste, kurzer Joppe mit Stopselhut oder Gehrock mit einem breitkrempigen Hut. 1200 bis 1500 Euro kostet es, sich entsprechend auszustaffieren, wie Altbürgermeister Peterer Lederer sagt. Der früherer Gildenmeiste ist Ehrenmitglied und hat die Leidenschaft für den Verein an seine Tochter Carola Falkner weitergegeben. Die historische Genauigkeit wird belohnt. Die Tutzinger Gilde darf sich abwechselnd mit den Starnbergern jedes zweite Jahr beim begehrten Wiesn-Umzug einreihen. Zuletzt marschierten sie 2014 mit. Das Großereignis Fischerhochzeit inszenieren die Tutzinger nur alle fünf Jahre. Nächstes Jahr ist es wieder soweit.

Aber darüber hinaus hat sich die Gilde eine Reihe weiterer Aufgaben auf die Fahne geschrieben. Sie bildet "nachwachsende Generationen systematisch und kontinuierlich in historischem alpenländischen" Tanz aus, wie der Gemeinderat anerkennend hervorhebt. Mit dieser Begründung bekommt der Verein auch den mit 2000 Euro dotierten Hausenstein-Kulturpreis 2015 der Gemeinde Tutzing überreicht, und zwar im Rahmen der Jubiläumsfeier am Sonntag, 5. Juli. Die Jury unter Bürgermeister Rudolf Krug vergab den Preis erstmals in der Kategorie Brauchtumspflege. Marksteine im Kalender der Tutzinger sind auch das Seefest und der Christbaumverkauf, die die Gilde jedes Jahr organisieren. Ordentlich krachen lassen es die Vorderladerschützen, die sich in einer eigenen Gruppe zusammengetan haben. Erste Vorstand Falkner macht deutlich, dass es der Gilde nicht nur um alte Bräuche und die Pflege der Tradition geht. Man schneide auch gern mal alte Zöpfe ab. Nicht nur, dass ursprünglich ausschließlich Männer mitmachen durften, die auch noch nachweisen mussten, dass sie mindestens schon zehn Jahr in Tutzing ansässig waren. Heute, so die Gildenmeisterin, genügt "Begeisterung an der Sache und echtes Interesse an unserer Tracht, um Gildenmitglied zu werden".

© SZ vom 23.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: