Tutzing:Vielschichtig, aber verkannt

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Ingolf Turban, Jürgen Weber und Reiner Ginzel (v. l.) beweisen mit ihrer Interpretation, dass Max Regers Streichtrio in a-Moll oft unterschätzt wird. (Foto: Georgine Treybal)

Das Deutsche Streichtrio setzt Max Reger ins rechte Licht

Von Anna-Elena Knerich, Tutzing

"Nicht erschrecken, jetzt kommt Max Reger": Die Warnung von Ingolf Urban an das Publikum ist nicht ganz ernst gemeint. Doch das Opus des 1916 im Alter von nur 43 Jahren verstorbenen Komponisten gilt als sperrig, folglich war der Konzertabend im Tutzinger Schloss mit "Der große Verkannte" überschrieben. Doch bereits mit dem ersten Ton des Streichtrios in a-Moll op. 77b gelang es Geiger Turban, Jürgen Weber an der Bratsche und dem Cellisten Reiner Ginzel das Publikum in seinen Bann zu ziehen: Es begann mit einem gefühlvoll gespielten Sostenuto, das nach wenigen Takten in ein kräftiges Allegro agitato überging.

Zum 100. Todestag von Max Reger widmeten die Musikfreunde Tutzing dem Oberpfälzer Komponisten ihr fünftes Schlosskonzert. Dazu luden sie das namhafte Deutsche Streichtrio ein, das seit mehr als 40 Jahren mit zahlreichen Uraufführungen und CD-Aufnahmen zu den führenden Kammermusikensembles in Europa zählt - jedoch in dieser Konstellation mit Turban an der Violine in Tutzing sein Debüt gab.

Zu Regers Streichtrio wählten die drei Musiker interessante Literatur aus: Sie spielten zuerst ein barockes Trio von Bach und zum Abschluss zwei klassische Werke von Beethoven. Sie hätten das Programm "nicht nur in dieser Abfolge geplant, damit die Zuhörer bei Reger nicht davonlaufen", scherzte Turban. Sondern vor allem, weil Reger in den beiden Komponisten seine großen Vorbilder sah. Während viele andere Werke des Oberpfälzers "wahnsinnig dicht und voll von polyphonen Gedanken" seien, gehöre das Streichtrio in a-moll zu seinen intimeren Stücken. Darin setze sich der Komponist auch mit Mozart auseinander, Reger verachtete "die Schwulstigkeit der Spätromantiker" und strebte eine neue Einfachheit an, erklärte Turban.

Die hochsensible Interpretation dieses vielschichtigen Stückes zeigte, dass sich die drei Musiker intensiv mit dem Werk und seinem Schöpfer befasst hatten. Geige, Bratsche und Cello kommunizierten intensiv: So etwa wenn sie nach zwei energischen Strichen eine ausdrucksstarke Pause einlegten, um dann wieder perfekt aufeinander abgestimmt mit ihrem Spiel einzusetzen.

Die Musiker, die alle drei an der Münchner Hochschule für Musik und Theater dozieren, vermittelten mit dem Stück eine Fin-de-siècle-Stimmung und geradezu exemplarisch die Kompliziertheit Regers, der zur Entstehungszeit bereits dem Alkohol verfallen war: Auf einfache, plakative Melodien, gespielt wie dicke Pinselstriche, folgte ein tänzerisches Volkslied-Thema und dann im zweiten Satz schwelgerische, innige Passagen voll avancierter Harmonik. In starkem Kontrast dazu stand der dynamisch gespielte Dreier-Takt des Scherzos, sowie das pointenreiche Finale voll rhythmischer und harmonischer Wendungen.

Nach dieser überzeugenden Darbietung kam Beethovens Streichtrio in c-moll, in dem Turbans Vituosität brillieren konnte. Die Zugabe, ein beschwingtes Allegretto "alla Pollaca" von Beethoven, kam so gut an, dass das Publikum noch mehr forderte. Turban konterte elegant-humorvoll und erntete Gelächter: Es sei doch auch ein schöner Abend gewesen, "ohne noch von einer zweiten Zugabe gequält worden zu sein".

© SZ vom 01.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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