Tutzing:Unter Preis

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Gutachter: Vielreicher-Grundstück in Tutzing ist viel mehr wert, als die Gemeinde zahlte

Gerhard Summer, Tutzing

Tutzing, Grundstücke beim Nordbad Tutzing, Grundstücke beim Nordbad (links). Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

TutzingLeicht ist in diesem Ort kaum etwas, aber momentan hat es Bürgermeister Stephan Wanner (parteifrei) besonders schwer. Einerseits will er den Wählern klar machen, dass er Tutzing wieder auf Kurs gebracht hat. Andererseits bekommt das Schiff langsam, aber sicher Schlagseite. Finanziell sieht es so unerfreulich aus wie immer, personell schlechter denn je. Vor allem das Bauamt gleicht einem Krankenlager, die Abteilung macht deshalb für zwei Wochen komplett dicht. Und das, obwohl der überlasteten Verwaltung insgesamt zuvor schon eine vierwöchige Sitzungspause verordnet worden ist. Die Zwickmühle: Tutzing kann nicht einfach neue Mitarbeiter einstellen, weil die Kommune noch keinen Etat 2014 hat. Dazu kommt noch der Ärger mit der verpfuschten Sporthalle, den extrem hohen Ausgaben für juristische Beratung, den Mehrkosten für den Radweg nach Kampberg - und der Streit mit der Oberpfälzerin Therese Vielreicher. Denn was immer gemutmaßt worden ist, scheint sich nun zu bestätigen: Tutzing hat die ehemalige Pfarrersköchin aus Cham bei dem umstrittenen Grundstücksgeschäft offenbar doch über den Tisch gezogen.

Diesen Schluss jedenfalls lässt die 25-seitige Expertise des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Landratsamt Starnberg zu. Das Gremium unter dem Vorsitz von Dieter Sinning kommt zu dem Schluss: Das kleine Stück Liegewiese im kommunalen Nordbad, das der damals 92-jährigen Frau Vielreicher gehörte, hat einen Verkehrswert von 46 000 Euro. Die Gemeinde hatte der Chamerin für die 134 Quadratmeter große Fläche am See aber nur 8000 Euro bezahlt - also lediglich etwa ein Sechstel der jetzt zur Debatte stehenden Summe. Wie Heinrich Reiter (Freie Wähler) im Gemeinderat sagte, führe das eklatante Missverhältnis zwischen Kaufpreis und tatsächlichem Wert unweigerlich dazu, dass der mit Vielreicher geschlossene Vertrag "sittenwidrig" und "nichtig" sei. Schon Siegfried Sandner, Honorarprofessor für Immobilienwirtschaft, hatte gemutmaßt, das kleine Gelände mitten im Nordbad könne mehr als 8000 Euro wert sein. Die Gemeinde hatte ihn im Sommer 2013 um Rat gebeten, er nannte damals eine Zahl: Nach der Ertragswertmethode könnte für das Areal ein Preis von 30 000 Euro angesetzt werden.

Tutzing war bundesweit in die Schlagzeilen geraten, als publik wurde, dass der oberbayerische Bürgermeister der alten Dame das Grundstück so günstig abgekauft hatte. Wobei Wanner später stets erklärte, nicht er, sondern ein Tutzinger Immobilienmakler habe die Preisverhandlungen geführt. Die Oberpfälzerin selbst und ihr Anwalt sprachen von arglistiger Täuschung und forderten eine Nachzahlung in Höhe von 96 000 Euro. Die Gemeinde will nun mit Vielreichers Rechtsvertreter einen Kompromiss aushandeln.

Klaus Thoma, Anwalt der Gemeinde Tutzing, kritisierte in einer Stellungnahme, dass die Gutachter von falschen Zahlen ausgehen würden. Er empfehle ein Ergänzungsgutachten.

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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