Tutzing:Stürmischer Streit um Bergahorn

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Seit mehr als 25 Jahren weisen Brigitte und Heinz Kühler die Gemeinde auf die Gefahr durch den Baum hin. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ehepaar fürchtet, dass der mächtige Gemeinde-Baum auf sein Grundstück kracht und fordert seit Jahren dessen Fällung

Von Manuela warkocz, Tutzing

Heinz und Brigitte Kühler leben im Schatten eines mächtigen alten Bergahorns in der Neustätter Straße in Tutzing. Allerdings neigt sich der Baum, verliert in Stürmen immer wieder Äste und Totholz - zuletzt kamen beim Unwetter am 18. August mehrere Äste und ein dicker Prügel herab. Zuvor war am ersten Augustwochenende ein "christbaumgroßes Teilstück abgerissen und auf die Fahrbahn geschleudert worden", wie Kühlers mitteilen. Das Ehepaar befürchtet, dass der 16 Meter hohe Baum samt acht Meter großer Krone auf das Grundstück fallen könnte. Sie sehen "Gefahr in Verzug", besonders seit 2016 beim Ausheben der Baugrube für einen Neubau nachweislich der Wurzelbereich des Baumes beschädigt wurde. Denn die Krux ist: Der Baum steht auf öffentlichem Grund. Kühlers beklagen, dass "die Gemeinde Tutzing unseres Erachtens in Anbetracht der Gefahr passiv und untätig bleibt". Das Paar, der Baum und die Gemeinde verbindet schon eine mehrjährige Geschichte, die vom Ringen um Grün auf der einen Seite und der Sorge um Beschädigung von Eigentum auf der anderen Seite geprägt ist.

Das Ehepaar Kühler wohnt seit 1982 direkt gegenüber von besagtem Bergahorn - "damals noch ein unscheinbares Gewächs umringt von großen Fichten und Lärchen". Von Anfang an sei der Baum geschwächt gewesen von starken Efeusträngen. Die hätten Bauhofmitarbeiter erst nach einem Hinweis ihrerseits entfernt. Seit etwa 1990 hätten sie das Rathaus immer wieder schriftlich auf die "Gefahrensituation" hingewiesen: Immer mehr Totholz in der Krone, spärliche Belaubung, schütteres Blattwerk. Zuletzt wandten sich Kühlers im Mai 2017 an die derzeit amtierende Vize-Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg, nachdem der Baum Thema im Umweltausschuss gewesen war. "Aber wir fühlen uns nicht ernst genommen", bedauert Heinz Kühler. Zumal das Paar schon 2002 erleben musste, wie ein Baum vom Nachbarn auf ihr Grundstück stürzte. Auf dem 2500-Euro-Schaden am Carport blieben Kühlers sitzen. Von den 2500 Euro am Auto übernahm die Teilkasko-Versicherung immerhin den Großteil. Stürme im November 2014 und Mai 2015 etwa hätten meterlange Äste abgebrochen und auf Grundstück, Carport und Straße geschleudert. Sie gefährdeten nicht nur die Grundstückseigentümer, sondern auch Passanten und den Autoverkehr auf der schmalen Straße. Inzwischen spielten auch Kinder aus dem Neubau oft direkt unter dem Baum.

Den Baum als "ortsprägend" zu bezeichnen, wie es die zuständige Rathausmitarbeiterin Imme-Susanne Thüring im Ausschuss getan hatte, deren Meinung die Mehrheit der Ausschussmitglieder teilte, erachten Kühlers als "Etikettenschwindel". Vielmehr gebe die Verwaltung seit Jahren viel Geld dafür aus, Totholz zu entfernen und den Baum begutachten zu lassen. Insofern kann man der Gemeinde nicht Untätigkeit vorwerfen. Tatsächlich hatte sie im Januar 2015 einen Sachverständigen zu Rate gezogen. Der konstatierte damals, dass die Standsicherheit des Baumes gegeben sei, wie die Gemeinde dem Ehepaar mitteilte. Nach den Schädigungen durch die Bauarbeiten 2016 und einer erneuen Untersuchung im Frühjahr 2017 hatte ein Gutachter aber die Fällung empfohlen. Warum jetzt noch mal ein Spezialist eine mögliche Rettung des Bergahorns untersuchen soll, verstehen Kühlers nicht. "Anscheinend muss erst etwas Schlimmes passieren", fürchten sie. Mittlerweile haben sich die beiden deshalb auch an die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt gewandt. Sie betonen, sie seien "Naturfreaks" und es gehe ihnen nicht darum, keinen Baum vor der Tür zu haben. Mit einem Ersatzbaum wären sie im Gegenteil sehr einverstanden.

Ein kritischer Punkt bei der Sache ist für die Grundstückseigentümer die Versicherungsfrage. Wer zahlt, wenn der Gemeinde-Baum in den eigenen Garten kracht? Oder auf das neue, gerade für 150 000 Euro sanierte Dach? Kühlers hatten eine schriftliche Erklärung gefordert, dass die Gemeinde die Haftung für Schadensfälle übernimmt - "unabhängig davon, welche Windstärke de Schaden verursachende Sturm hat". Aus dem Rathaus hieß es dazu im April 2015, das dürfe und könne die Gemeinde nicht: "Schadensfälle sind mit der Versicherung der Gemeinde Tutzing abzuwickeln." Man könne aber versichern, dass die Gemeinde ihrer Sorgfaltspflicht nachkomme und den Baum regelmäßig begutachte.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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