Tutzing:Musikalisches Familientreffen

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Julia Fischer leitet einen Meisterkurs, bei dem sich auch ihre Mutter und ihr Stiefvater engagieren

Von Armin Greune, Tutzing

Die beiden Geigerinnen stehen sich nur einen Schritt voneinander entfernt auf der Bühne gegenüber. Lehrerin und Schülerin kommunizieren intensiv miteinander, in Englisch, aber auch über ihre Instrumente. Immer wieder üben sie die gleiche Folge aus zehn bis zwölf Tönen, dabei wird selbst einem mit klassischer Musik kaum vertrauten Zuhörer sofort klar, wer hier den Ton angibt. Das Spiel der Älteren wirkt runder, geschmeidiger, schwungvoller, ja durchaus beseelter als das der Jüngeren. Dabei ist Agnė Gečaitė in ihrer Heimat schon eine sehr bekannte Interpretin und wurde mehrfach in internationalen Wettbewerben ausgezeichnet. Das Können der 13-jährigen Litauerin ist in diversen Youtube-Videos zu bestaunen - und doch bemerken selbst Laien rasch den Niveauunterschied zum Violinspiel ihrer Lehrerin Julia Fischer.

Die weltberühmte Geigerin leitet derzeit wieder einen Meisterkurs im Rahmen der fünftägigen "Musikferien am Starnberger See" in der Evangelischen Akademie. Der Einzelunterricht im Saal des Tutzinger Schlosses ist gar nicht so intim, wie die Szene und der eingehende Kontakt der zwei Musikerinnen suggeriert: Etwa 30 Zuhörer - Kinder und Eltern - verfolgen mucksmäuschenstill und hoch konzentriert das Geschehen auf der Bühne. Auch im nahen Gymnasium sind Kursräume eingerichtet und selbst der Flügel im Roncallihaus wird bespielt: Dort leitet Severin Schmid einen Kurs für ein Klavierquartett.

Intensiver Kontakt: Julia Fischer gibt Einzelunterricht für vier junge Talente - wie hier die 13-jährige Litauerin Agnė Gečaitė. (Foto: Georgine Treybal)

Etwa 65 Teilnehmer sind heuer angemeldet, manche nehmen gleich an zwei Kursen teil. Sie kommen aus der näheren Umgebung, aber auch aus China, USA oder Usbekistan. "Der jüngste ist fünf, der älteste 28 Jahre", sagt Clemens Vetter, der die Musikferien organisiert und Künstlern, Kindern und deren Eltern als "Mädchen für Alles" rund um die Uhr zur Verfügung steht. Seit fünf Jahren erfüllt er alle Aufgaben, die zuvor in einer Event-Agentur auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt war: "Da hat es einige Reibungsverluste gegeben", sagt Vetter, der nun lieber auf seinen eigenen Einsatz baut. Die Vorarbeiten beginnen im September mit den ersten Anmeldungen, immer mehr Eltern aber hielten sich die Option bis ganz zuletzt offen.

Die Meisterkurse für Violine bei Julia Fischer und Cello bei Daniel Müller-Schott sind dann allerdings längst ausgebucht: Gerade einmal vier Schüler unterrichtet die Stargeigerin heuer. Aber auch die übrigen Kurse für Violine, Viola, Violoncello, Klavier und Kammermusik sind hervorragend besetzt: Kyrill Troussov und Henri Bonamy etwa zählen zu den Dozenten. Während man an diese sehr hohe Anforderungen stelle, würden bei ihren Kursen auch Schüler aufgenommen, die an ihren Instrumenten kaum Erfahrungen aufweisen, betont Vetter: "Das ist keine Eliten-Angelegenheit". Natürlich müsse ein gewisses Niveau gewahrt bleiben, doch neben der Musik stehe auch der Austausch in der Gruppe und das gemeinschaftliche Erleben im Fokus. Deshalb gehöre es zum Konzept, die Eltern für den Aufenthalt im Schloss zu gewinnen, nur etwa ein Viertel der Kursteilnehmer ist nicht in der Akademie zu Gast. Für die meisten Schüler enthalte das Tagesprogramm zwischen Unterricht, Übungsstunden und Ensemblespiel wenig Leerlauf. Jeden Abend findet ein Orchesterkonzert statt, bei dem fast alle Schüler Gelegenheit erhalten, Auftrittserfahrungen zu sammeln. Nur die Besten aber werden im öffentlichen Abschlusskonzert am Sonntag von 15.30 Uhr an bei freiem Eintritt im Musiksaal der Akademie zu hören sein.

Severin Schmid übt mit vier jungen Musikern im Roncallihaus. Drei Klaviertrios und dieses Quartett bereiten sich dort auf den Wettbewerb "Jugend musiziert" vor. (Foto: Georgine Treybal)

Vetter hat immer ein offenes Ohr für alle Gäste: "Mir ist die familiäre Atmosphäre wichtig". Auf Seiten der Veranstalter ist das gewährleistet: Vetters Frau Viera Fischer leitet einen Klavierkurs und organisiert die künstlerischen Aspekte der Musikferien; ihre Tochter Julia ist nicht nur Dozentin, sondern auch Schirmherrin und Zugpferd des Ganzen. Die 35-jährige Gautingerin galt früh als Wunderkind, begann mit vier Geige und Klavier zu spielen, war Schülerin bei den Anfängen der Musikferien in der Schweiz und wurde mit 23 jüngste Professorin einer deutschen Hochschule. Ihre beiden Kinder nehmen heuer auch an den Musikferien teil.

© SZ vom 04.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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