Tutzing:Leidenschaft an Deck

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International besetzt: die Gruppe Šuk Schirim. (Foto: Fuchs)

Die Kapelle Šuk Schirim spielt auf dem Museumsschiff Musik der Sinti und Roma, Klezmer und Jazz

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Es war ein fulminanter Einstieg ins diesjährige Musik- und Kabarettprogramm auf dem Museumsschiff Tutzing. Zum Glück hat der 78 Jahre alte Dampfer den Winter gut überstanden, auch wenn die Holzbeplankung der Decks eine Erneuerung bräuchte, so der Vorsitzende des Betreibervereins, Matthias Helbig. Das muss erst einmal finanziell gestemmt werden. Für die Sonntagsmatineen Eintritt zu verlangen, ist allerdings bisher nicht geplant. So bleibt die Hoffnung auf Spenden, also auf die Solidarität der Besucher, die sich an diesem heißen Sonntag so zahlreich eingefunden hatten, dass kein Stehplatz übrig blieb. Der Zulauf hatte mit dem Heimspiel der über Maxim Purkert in Tutzing angesiedelten Kapelle Šuk Schirim zu tun, aber auch mit dem spannenden musikalischen Kontext im Repertoire der Formation. Ganz zu schweigen von der ihm immanenten Leidenschaft, die den meisten aus dem Film "Schwarze Katze, weißer Kater" bekannt sein dürfte.

Der Name ist Programm: Das Romawort Šuk bedeutet "schön", "schirim" heißt in Jiddisch bzw. Hebräisch "Gesang". Damit ist nicht nur die Vielseitigkeit und sprachliche Grenzüberschreitung bezeichnet, sondern auch die entsprechende Region angedeutet. Im Fokus des Quintetts, das auf der Tutzing mit dem Geiger Gabriel Cichaja erstmals eine zum Sextett erweiterte Besetzung erprobte, stand Musik der Balkanregion, des Klezmer sowie der osteuropäischen Sinti und Roma, die auch bruchlos in Jazz übergehen kann. Dem Ansatz entspricht die internationale Besetzung der Formation (Rumänien, Ungarn, Türkei). Hinter der vitalen Sängerin Shoshanna Blumenfeld, die gewandt zwischen den vielen Sprachen wechselte, stand denn auch ein breites Instrumentarium zur Verfügung. Constantin Maceasa (Schlagzeug, Percussion) sorgte für rhythmische Prägnanz, was dem tänzerischen Charakter der Musik zugutekam. Maxim Purkert stützte an der Gitarre mit Drive den soliden Unterbau und gab vor allem der Musik der Sinti und Roma die spezifische Färbung. Wenn all die Kulturkreise der Region in ihrer traditionellen Musik auf ein Instrument kaum verzichten können, dann ist es die Klarinette, die Constantin Maceasa singen ließ. Haluk Sirin erwies sich als Mann für alle Fälle, der am E-Piano schon mal das Cymbal-, Akkordeon- oder Kontrabass-Register zog, um zu ergänzen, was an Klangvarianten noch nötig war.

Bei all der Vielfalt blieb das Repertoire im Kern einheitlich, was erstaunliche kulturelle Bezüge bis hin zu orientalischen Einflüssen offenbarte. Vor allem die erzählerische Art der Liedtexte, die den Zuhörern übersetzt wurden, und ihre rhapsodisch-ausdrucksstarke Verarbeitung verwiesen auf vergleichbare Auffassungen, obgleich die Inhalte Kulturspezifisches vermittelten. So etwa die Vorfreude des werdenden Schwiegervaters darüber, dass wieder ein junges Mädchen ins Haus kommt, in "Amarisi Amari" der Roma. Oder im Klezmer "Ich hob dir zufil lib", der in nostalgischer Färbung allzu große Liebe infrage stellt. Besonders eindrucksvoll erklangen die melancholischen Lieder, wenn die Instrumentalisten Blumenfeld im mehrstimmigen Gesangschor begleiteten. Für die Jazz-Variante eigneten sich die Stücke des deutschen Sinto Schnuckenack Reinhardt am besten, sind sie doch Perlen des sogenannten Zigeunerjazz. Die Roma-Hymne "Djelem, djelem" setzte eindrucksvoll den Schlusspunkt.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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