Tutzing:Große Combo zu zweit

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Pedro Tagliani (links) und Alberto Barreira begeistern mit einer gelungenen Jazz-Matinee auf dem Starnberger See. (Foto: Arlet Ulfers)

Pedro Tagliani und Alberto Barreira eröffnen die Konzertsaison auf dem Tutzinger Museumsschiff mit brasilianischen Klassikern

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Offenbar erwachte sein Interesse an der brasilianischen Musik erst in Europa, wo er von 1993 an einige Jahre in Wien und München lebte. Obgleich Pedro Tagliani aus Südbrasilien stammt, galt seine erste Liebe dem Jazz. Für seinen Landsmann Alberto Barreira war indes die klassische Flöte das erste Fach. Doch mit der Vielseitigkeit eines Studiomusikers war er Mitspieler in nahezu allen Sparten, von Simply Red über Banda Brasil bis hin zu Roberto Blanco. Seit 2000 lebt er nun als Jazz-Saxofonist und -komponist in Deutschland. In dieser kleinen, aber starken Besetzung ging nun bei absolut stimmigem Ambiente die Konzertsaison auf dem Museumsschiff Tutzing an den Start. Ein kühler Wind schützte vor der Hitze unter der Überdachung auf dem voll besetzten Deck. Eine perfekte Jazz-Matinee.

Was bei einem solchen Duo zunächst nach einer recht kargen Geschichte klingen mag, besagte schließlich: Tagliani und Barreira reichen, um eine vollständige Combo zu ergeben. Das lag vor allem an der grandiosen Technik Taglianis im Spiel der akustischen Gitarre. Er übernahm nicht nur die Harmonien in entsprechend gewandter Rhythmik. Sein Daumen kümmerte sich verstärkt um den Bass, zumal seine siebensaitige Gitarre über eine Erweiterung nach unten (H-Saite) verfügt und schon eine ordentliche Klangrundung schaffte. Oft kamen mit entsprechenden Zupf-, Schlag- und Trommeltechniken perkussive Elemente hinzu. Famos zeigte sich Tagliani aber auch als virtuoser Jazz-Improvisator mit rasant gezupften Läufen. Klar, gute Gitarristen haben das alles nun mal drauf. Mag sein, aber Tagliani kann das alles gleichzeitig! Selbst bei unentwegten Harmoniewechseln und komplexen Latin-Rhythmen. Und der Fundus spieltechnischer Finessen schien sich bei ihm nicht zu erschöpfen.

Wo brasilianische Musik erklingt, dürfen Klassiker von Antônio Carlos Jobim nicht fehlen. Etwa "Triste", "Ipanema" oder "Corcovado". Am besten mit Gesang, den natürlich auch Tagliani übernahm - mit der nötigen Melancholie, wie sie der brasilianischen Musik eigen ist. Den anderen Teil der Combo füllte Barreira aus, meist mit dem Tenorsaxofon, aber gerade in einigen lyrischen Ausschweifungen, wie im Bossa Nova "Manhã de Carnaval" aus dem Film "Orfeu negro" von Luiz Bonfá, ebenso mit der verträumt leicht-luftigen Flöte. Und auch Barreira zeigte sich spieltechnisch vielseitig und im Einsatz der Finessen überaus inspiriert. In der Natur der Sache lag die Zuständigkeit für die Themenvorstellung und für melodische Gesänge. Weit ausholende, rasante Soli in Jazz bis Rock lieferten packende Fülle. Aber Barreira verstand es auch, sich leise in den Chorus zurückzunehmen, etwa wenn Tagliani im Gesang eine zweite Stimme benötigte.

Entscheidend für die Qualität des Duos waren aber nicht nur die reichhaltigen Fähigkeiten der beiden Musiker, sondern vor allem die Gewandtheit, das richtige Maß zu finden und in einer packenden Dramaturgie reizvolle Wirkungen herauszuarbeiten. Alle einzelnen Titel begannen mit einem mehr oder weniger ausgedehnten Intro der Gitarre, das meist schon einen Kontrast vorbereitete, um mit dem Einsatz des Themas beziehungsweise der Melodie am Saxofon oder an der Flöte schon den ersten Überraschungscoup zu landen. Gegenüberstellungen von rhythmischer Schärfe zum lyrischen Fluss, von sanglicher Melodik zum groovenden Swing, von perkussiver Schlankheit zur sonoren Fülle, vom Spiel in Akkorden zu mäandernden Linien, dann aber auch Rhythmuswechsel, Anschlagsvarianten mit Akzentverschiebungen der Gitarre und vieles mehr lieferten genügend Stoff zu immer neuen Konstellationen. Im Höhepunkt verdichtete sich meist der Duktus und intensivierte sich die Klangfülle zu packenden Höhenflügen. Im Konzertfinale sollte das Duo noch einmal alle Register ziehen, tat es aber mit Bedacht mit "Latin Lover" von João Bosco in transparenter Präzision und Schlankheit, dennoch mitreißend im Drive. Frenetische Ovationen und eine Zugabe.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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