Tutzing:Eine Frage der Kosten

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Angelika Friedriszik leitet in Tutzing die BRK-Wohngemeinschaft mit zehn Plätzen für junge Flüchtlinge. (Foto: Arlet Ulfers)

Bei volljährigen Flüchtlingen will der Kreis nicht mehr zahlen

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Es hat sich gut eingespielt, das gemeinsame Leben von derzeit neun unbegleiteten minderjährigen Jugendlichen aus Afghanistan und ihren BRK-Betreuern in Tutzing. Die jungen Männer zwischen 15 und 17 Jahren kochen und putzen, haben in Intensivkursen der Volkshochschule gut Deutsch gelernt, Schwimmkurs mit Ehrenamtlichen und Fahrradführerschein mit der Polizei gemacht, organisieren ein Nähprojekt, besuchen die Berufsschule oder Integrationsklassen in München und haben erfolgreich Praktika absolviert.

Seit Januar 2016 wohnen die jungen Männer in einem geräumigen Haus an der Tutzinger Hauptstraße, freundlich aufgenommen von den Nachbarn. Das Gebäude samt Einliegerwohnung und Garten hatte der Eigentümer vergangenen Herbst spontan dem BRK-Kreisverband als Träger der Betreuungseinrichtung für fünf Jahre vermietet. "Dafür sind wir wirklich dankbar, das bedeutet eine sichere Perspektive", sagt die Leiterin Angelika Friedriszik am langen Esstisch, während ein Bewohner sich zum Fußball verabschiedet.

Eine Perspektive würde sich die Sozialpädagogin auch für ihre Schützlinge wünschen, die demnächst das 18. Lebensjahr erreichen und dann das Haus verlassen müssen, weil die Jugendhilfe des Landkreises nicht länger die Kosten für den stationären Aufenthalt übernimmt. Gespannt erwartet die Tutzinger Leiterin daher die Ergebnisse des Krisengipfels, der diesen Mittwochabend in München stattfindet. Vertreter der Bezirke und des Freistaats verhandeln, wer für die Weiterbetreuung volljähriger Flüchtlinge aufkommt, wenn sie durch Kriegs- und Flüchtlingserlebnisse noch traumatisiert sind und den Alltag in Deutschland noch nicht selbständig bewältigen können.

Zwei junge Afghanen sind in der Tutzinger Einrichtung betroffen. Nachdem sie ohne Papiere ankamen, gilt als ihr offizielles Geburtsdatum der 1. Januar 1999. "Ihre Vormünder können nun einen Antrag auf Nachsorgebedarf stellen", beschreibt Friedriszik das Procedere. Zusammen mit dem Träger und dem Jugendamt könnten dann im Einzelfall noch maximal 50 Stunden als ambulante Hilfe bewilligt werden. "Diese Unsicherheit in der Gesetzgebung macht uns Sorgen", sagt die Leiterin, sie betreffe die Jugendlichen und Mitarbeiter gleichermaßen. Wie alle jungen Erwachsenen bräuchten auch diese oft noch Hilfe in ganz praktischen Dingen, bei Ämterbriefen, Arztbesuchen. Doch dazu komme, dass bei der Hälfte der Jugendlichen die Eltern tot seien - "Da hat vielleicht zehn Jahre keine Erziehung stattgefunden". Immer wieder seien sie im Krieg fortgebracht worden, hätten Vertrauenspersonen verloren. Verunsicherung, Depression und Re-Traumatisierung seien präsent.

Die Leiterin des Starnberger Jugendamtes, Rosemarie Merkl-Griesbach, versichert, "dass wir es für alle Jugendlichen bestmöglich hinkriegen wollen, im gesetzlichen Rahmen". So werden derzeit zwölf bis 15 Volljährige nach ihrem Aufenthalt in Heimen, Wohngruppen oder Pflegefamilien weiter betreut. Für 120 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist der Landkreis momentan zuständig, wovon die Hälfte ambulant begleitet wird. 103 feste Plätze hält die Behörde in acht Einrichtungen vor. Merkl-Griesbach erwartet, dass die bald alle belegt sind, wenn junge Flüchtlinge aus Italien eintreffen.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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