Tutzing:Drei mal zwei

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Drei Zwillingspaare aus einer Tutzinger Familie (von links): Cosima Schreiber, Theresa Feldhütter, Veronika und Clara Goslich, Agnes Feldhütter und Nepomuk Schreiber. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In einer Familie gibt es auffällig viele Zwillingspaare. Für Theresa und Agnes Feldhütter, Clara und Veronika Goslich sowie Cosima und Nepomuk Schreiber ist das eine Konstellation mit Tücken - und besonderen Vorteilen

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Drei Zwillingspaare in einer Familie, das ist ein außergewöhnlicher Zufall. Die drei Tutzinger Schwestern Maria Feldhütter, Roswitha Goslich und Barbara Schreiber durften ihr Babyglück gleich zweifach in Händen halten. Inzwischen sind ihre Zwillingspaare schon längst den Doppelkinderwägen und extra großen Laufställen entwachsen: Theresa und Agnes Feldhütter stehen mit ihren 25 Jahren in Beruf beziehungsweise Studium, Clara und Veronika Goslich feierten kürzlich 17. Geburtstag und verwirren schon mal Lehrer am Tutzinger Gymnasium, Cosima und Nepomuk Schreiber verweisen stolz auf ihre zwölf Jahre. Was für Außenstehende exotisch anmutet, nämlich als Zwilling aufzuwachsen, fühlt sich für diese Kinder selbstverständlich an, wie sie an einem sonnigen Augusttag im Feldhütterschen Garten erzählen.

Dass es in der Tutzinger Familie gehäuft Zwillinge gibt, kam bei Recherchen zur Fischerhochzeit heraus. Bevor Theresa Feldhütter zusagte, die Rolle der Braut im Historienspiel zu übernehmen, suchte sie den Rat ihrer Zwillingsschwester. "Ich habe lange mit der Agnes gesprochen, über vier Stunden. Als sie gesagt hat 'Mach's!', war für mich alles klar", sagt Theresa, Hand in Hand mit ihrer Schwester am Gartentisch sitzend. "Und ich war dann so stolz auf sie", ergänzt Agnes lächelnd im Rückblick auf die strahlende Braut, die ihre sonst eher schüchterne Schwester abgab. Was die Schwester sagt, hat Gewicht, vielleicht mehr noch als der Rat der Eltern.

Für die kam das Zwillingspaar vor 25 Jahren gerade recht. "Es waren lange ersehnte Kinder, die Freude war groß, als es hieß, das werden zwei", erinnert sich Maria Feldhütter an ihr Mutterglück mit 36 Jahren. Auch bei ihren Schwestern erfüllte sich der Babywunsch relativ spät; Roswitha Goslich war 39, Barbara Schreiber 42 Jahre alt. Es scheint eine gewisse genetische Disposition für Zwillinge in der Familie zu geben. Die drei Schwestern und ihre weiteren drei Geschwister hätten noch Zwillinge in ihrem Kreis gehabt. Die beiden Mädchen sind allerdings nach der Geburt gestorben. So zeigte sich die Großmutter, liebevoll "Omama Will" genannt, gar nicht so überrascht über den dreifachen Zwillingsnachwuchs in der nächste Generation. Jedes Pärchen wartete zudem mit einer Besonderheit auf: Die zweieiigen Zwillinge Theresa und Agnes waren die ersten, Clara und Veronika verblüfften als Eineiige mit ihrer verwirrenden Ähnlichkeit, Cosima und Nepomuk setzten als gemischtes Pärchen noch eins drauf. In allen drei Familien blieben die Zwillingspaare die einzigen Kinder.

Waren die ersten Jahre besonders anstrengend? Das können die Zwillingsmütter gar nicht sagen - mangels Vergleich. Aber sich Hilfe zu organisieren, war ihnen wichtig. Die Väter wurden eingebunden nach der Devise: Bei einem Kind kann der Vater wickeln und füttern, bei zweien muss er. Die beiden Omas am Ort waren ebenso Stützen wie die älteren Zwillinge. Agnes und Theresa freuten sich, wenn jede ein Baby betreuen durfte. Waren die Zwillingsnichten weg, wurde mit Babypuppen gespielt - in Zwillingsrollenspielen.

Parallelen gibt es unter den beiden zweieiigen Pärchen. Ihre Mütter betrachten sie mehr wie normale Geschwister. "Die sind so unterschiedlich, in ihrem Wesen, ihren Talenten und Vorlieben. Und haben ordentlich gestritten", sagt Maria Feldhütter über ihre beiden Mädchen. Die Unterschiede waren schon äußerlich von Geburt an eklatant. Theresa wurde mit 2000 Gramm auf die Welt gehoben, Agnes mit 1100 Gramm - so schwer wie eine Zuckertüte. Weshalb die Kleine später beharrte: "Ich war mal eine Zuckertüte." Die Zwillingsgeburt erklärte sie sich so: "Ich war beim Papa im Bauch, die Mama war ja schon besetzt." Im Zwillingslook traten sie selten auf. Secondhand-Sachen, die die Mama bevorzugte, gab es kaum im Doppelpack. Theresa arbeitet als Sozialpädagogin in einer heilpädagogischen Tagesstätte in München. Agnes orientiert sich Richtung Wirtschaft, macht ihren Master "Personal und Arbeit" in Hof. Die Mädchen selbst betonen das Verbindende: "Es ist toll, gemeinsam Geburtstag zu feiern", findet Agnes. "Eltern können nie sagen, die ist älter, die darf das", freut sich Theresa noch heute.

Als Bub und Mädchen werden Nepomuk und Cosima oft gar nicht als Zwillinge wahrgenommen. Zu Beginn der Pubertät sind die Interessen auch offenkundig zu unterschiedlich. "Ich seh das schon ein, aber es ist schade", bedauert Cosima, die auch gern eine Schwester gehabt hätte. Nepomuk bäckt gern, flitzt mit seinem E-Radl rum und konzentriert sich auf sein Handy. Den Mädels-Überhang am Tisch findet er sichtlich anstrengend. In der Schule gehen die Kinder getrennte Wege, ebenso wie die anderen Zwillingspaare. Das ist zwar für Eltern aufreibend, wegen unterschiedlicher Hausaufgaben, Termine, Klassenreisen. Dennoch befürworteten alle drei Elternpaare, ihre Zwillinge zu trennen, damit sie nicht ständigen Vergleichen ausgesetzt sind.

Nur Clara und Veronika Goslich hatte es kurzzeitig von der 8. bis 10. Jahrgangsstufe in eine gemeinsame Klasse verschlagen. Im Tutzinger Gymnasium kennt man sie als "die Goslich-Zwillinge", sicher der Einfachheit halber, weil man die eineiigen Mädchen so schwer auseinander halten kann, sie selbst nervt das aber. Nähe und Abgrenzung ist das Thema. Haben die Eltern bewusst unterschiedlich lange Namen gewählt, sie bewusst nicht gleich angezogen, wollten Veronika und Clara ab der Grundschule die gleichen Kleider. Einmal, am 1. April, haben sie ihre Identitäten getauscht. Dass die Lehrer nichts gemerkt haben, war für sie witzig und zugleich traurig. Heute versucht jede, sich eigene Reviere zu schaffen. Veronika geht allein in die Tanzstunde: "Da weiß keiner, dass ich ein Zwilling bin." Sie spielen unterschiedliche Instrumente, treten aber gemeinsam auf, entzücken etwa japanische Touristen mit Cello und Geige im Englischen Garten.

Gibt es Eifersucht? "Früher wollten wir der Mama immer gleichzeitig erzählen", erinnert sich Clara. Heute spüren sie ein enges inneres Band zueinander. Oft spricht die eine aus, was die andere gerade denkt. "Aber wir wollen nicht irgendwann wie ein altes Ehepaar zusammenhausen", wehrt Veronika jede Alice-und-Ellen-Kessler Lebenszweisamkeit ab. Eine Möglichkeit, sich mit anderen Zwillingen jenseits der Familie auszutauschen, sehen Veronika und Clara beim ersten Münchner Zwillingstreffen. "Da sind wir nicht so Exoten, die verstehen uns", hofft Veronika.

Münchner Zwillingstreffen, Samstag, 23. September, 11 Uhr beim Olympiaturm, organisiert von den Zwillingen Leonie und Sarah. Näheres unter www.zwillingstreffen.com

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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