Tutzing:Dixie auf dem Dampfer

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In Rumpfbesetzung: Julius Acher (re.) und Alex Czinke (li.) mit den Gastmusikern Karl Lehermann und Johann Lengfelder (Mitte). (Foto: Georgine Treybal)

Julius Achers "New Orleans Dixie Stompers" und Gastmusiker punkten in Tutzing mit Lässigkeit

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Der diesjährige Start der sonntäglichen Jazzmatineen auf dem Museumsschiff Tutzing hatte es in sich: strahlender Sonnenschein, leichte Brise vom See, stilles Wasser, ungetrübte Sicht auf die Berge und ein ungewöhnlich hoher Publikumsandrang. An Weißwürsten, Brezen und Getränken fehlte es ohnehin nicht. Und weil die New Orleans Dixie Stompers aus Weilheim auf dem Programm standen, war der klassische Jazz-Frühschoppen perfekt.

Während New Orleans am Mississippi River mit seiner Wolkenkratzer-Skyline heute kaum noch an die Geburtsstätte des Jazz erinnert, kam auf der Tutzing - auch wenn sie kein Schaufelraddampfer ist - schon ein Hauch von Nostalgie auf, in Erinnerung an die Anfänge in Louisiana, als Dixie zu jeder Gelegenheit erklang, um Trauer auszudrücken, Freude, Verzweiflung, Glück und Euphorie. Aus welchem Grund man ihn gerade braucht: Er passt immer. Daran liegt es wohl, dass der mitreißende und emotional so ansprechende Dixie nahezu in der ganzen Welt immer noch zu den Publikumsmagneten gehört.

Die New Orleans Dixie Stompers sind von dem musikalischen Tausendsassa Julius Acher gegründet worden. Eine sechsköpfige Band, zu der auch seine beiden Söhne von Notwist gehören, die jedoch auf der Tutzing nicht antreten konnten. Lediglich der Gitarrist Alex Czinke, der auf dem Museumsschiff auch zum Banjo griff, gehört neben Acher offiziell zur Band. Aber der guten Tradition des Jazz folgend ist der Rückgriff auf Gastmusiker Usus und immer wieder eine erfrischende Abwechslung mit spontaner Gestaltung auf Zuruf.

Mit Karl Lehermann (Trompete) und Johann Lengfelder (Kontrabass) konnte Acher, der neben der Posaune auch Perkussionsinstrumente und Violine spielte sowie den Gesangspart übernahm, gewandte Musiker gewinnen, die sich mühelos in die kurzfristig zusammengestellte Kleinformation einzufühlen vermochten.

Dixie kammermusikalisch im Quartett zu spielen, ist gewiss ungewohnt, vor allem wenn Klarinette und Schlagwerk fehlen. Aber die Musiker machten aus der Not eine Tugend. Kein fetzendes Schmetterblech flog den Zuhörern um die Ohren, vielmehr fesselten recht sensibel ertastete Erzählungen, die Acher und Lehermann in diversen Konstellationen gerade erst zu ersinnen schienen, selbst wenn es durchweg um Jazzklassiker ging.

Manchmal waren es echte Gesangsduette, in denen sich die beiden Bläser gegenseitig umflorten oder auch unisono in die Melodie einstimmten. Ging es an einen packenden klassischen Dixie der vergnügten Art heran, schlängelten sich die Bläserlinien zwar intensiv umher, doch stets mit einer erzählerischen Note über dem pulsierenden Drive. Der Motor von Lengfelder und Czinke lief in der Regel rund, trieb zur Straffheit an oder schleppte, verzögerte dem Bauchgefühl nach, wenn eine bluesige Ballade zu spielen war. Ob in "Summertime", im "Basin Street Blues" oder in "After you've gone": Insbesondere die beiden Bläser verstanden es, im leichten Spiel die nötige Nachlässigkeit walten zu lassen, die gerade den besonderen, so überaus ansprechenden emotionalen Grundtenor dieser Musik ausmacht. Vor allem im Spiel mit Dämpfer, dabei mit klagenden Schleiftönen und plastisch eingearbeiteten Bluenotes, die sich weit dehnten und den Stücken den nötigen Slang mit auf den Weg gaben.

Letzteres funktionierte aber auch in strafferen Balladen wie dem "St. Louis Blues", in denen vor allem diverse Dämpfer der Bläser für die reiche Klangdifferenzierung sorgten. Dazu trug aber auch Czinke mit dem Banjo bei, das einerseits zusammen mit dem zuverlässig antreibenden Lengfelder für einen perkussiven Drive sorgte, andererseits der nostalgischen Note gänzlich gerecht wurde.

Trotz der wunderbaren Atmosphäre und des morgendlichen Vergnügens: Die Musiker taten sich bisweilen schwer mit der allzu einfachen Gangart des Dixie. Begeisterter Applaus und eine Zugabe.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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