Hochwasserschutz:Der Schwarze Graben hat es in sich

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So ramponiert wie das Schild zeigt sich mittlerweile der entleerte Langer Weiher bei Deixlfurt. Bürgermeister Rudolf Krug: "Ein erbärmlicher Zustand." (Foto: Arlet Ulfers)

Alle Bemühungen für eine große Lösung im Tutzinger Ortsteil Traubing sind bisher gescheitert. Doch die Grundstücksbesitzer wollen nicht mehr tatenlos auf die nächste Überschwemmung warten. Bürgermeister Krug befürchtet, dass sich die Gefahr noch verschärfen könnte

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Die Hochwasser-Bilder im Fernsehen spülen bei vielen Traubingern die Erinnerungen wieder hoch - an Überflutungen in ihrem Dorf. Denn regelmäßig tritt in der Ortsmitte der Schwarze Graben über die Ufer. Die schlimmsten Schäden waren nach starken Regenfällen an Pfingsten 1999, im Jahr 2007 und zuletzt im Juni 2013 zu beklagen. Genau so lange, nämlich seit 1999, bemüht sich die Gemeinde Tutzing um einen wirksamen Hochwasserschutz für den Ortsteil. Zuletzt hatte man auf den Langer Weiher bei Gut Deixlfurt als eine Art Rückhaltebecken gesetzt. Auf die aktuelle Lage angesprochen ließ Bürgermeister Rudolf Krug (ÖDP) jüngst im Umweltausschuss seinem Ärger freien Lauf. Denn Millionen teure Auflagen verhinderten, dass sich der Weiher zur Regulierung nutzen ließe. Als Biotop sei das frühere Fischgewässer freilich inzwischen ruiniert. Krug sprach von "Trauerspiel", "Behördenwillkür" und seiner Sorge, dass sich die Hochwassergefahr in Traubing eher noch verschärfen könnte.

Die Traubinger SPD-Gemeinderätin Renate Geiger hatte beim Hochwasserschutz nachgebohrt. Für den Rathauschef ein Dauerthema, das ihn frustriert und ratlos macht. Denn bis auf punktuelle Verbesserungen sind bislang alle Bemühungen für eine große Lösung gescheitert. Als der Langer Weiher im August 2014 ein Leck hatte schien der Ausweg gar nicht so fern. Der Pächter, der Kreisfischereiverein Starnberg, holte 50 Zentner Fische aus dem Gewässer, das Wasser wurde abgelassen. Dann wollte die Gemeinde das Leck am Damm reparieren und zwei 100 Jahre alte Rohre ersetzen - mit größeren Stahlrohren, um künftig den Wasserstand im nördlichsten Ausläufer der Deixlfurter Seenplatte zu regulieren. Denn der Auslauf des privaten Teiches, der zu Gut Deixlfurt gehört, speist den Deixlfurter Bach. Dessen westlicher Arm wiederum vereint sich in Traubing mit dem Schwarzen Graben und tritt bei Starkregen über die Ufer. Was die Gemeinde als Reparatur ansieht, stuft das Staatliche Wasserwirtschaftsamt Weilheim aber als mögliches Bauwerk mit Hochwasserschutzfunktion ein. Es legt strenge Maßstäbe für den Weiher an, der sich einst auf 4,7 Hektar erstreckte. Gefordert wurde ein Standfestigkeitsgutachten für den 7,5 Meter hohen, in den 1880er-Jahren gebauten Damm. Das fiel positiv aus. Schwerer wiegt, dass der Fischteich, würde man ihn wieder in den vorhergehenden Zustand mit mehr als 100 000 Kubikmeter Wasservolumen versetzen, der HQ 5000 genügen muss - einem Messwert für Hochwasser, wie es rechnerisch nur alle 5000 Jahre vorkommt. "Wir müssen Überlaufbauwerke wie in einem Großstauwerk bauen", zeigt sich der Bürgermeister nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen fassungslos. Jeder Fischweiher mit einem Damm werde inzwischen behandelt "wie der Sylvensteinspeicher". Nachdem die Gemeinde den Langer Weiher hat vermessen lassen, gelangte er immerhin eine Kategorie unter den Stausee, dessen Damm 44 Meter Höhe misst. Die eins bis 1,5 Millionen Euro teure Aufrüstung seien den Privatbesitzern ebenso wenig zuzumuten wie der Gemeinde. Er fordert Zuwendungen oder ein Abrücken von Maximalforderungen.

Auch weitere Deixlfurter Besitzer von Weihern mit Damm seien betroffen und müssten Standfestigkeitsgutachten liefern. Gleichzeitig müssten Bäume, die zur Befestigung dienten, entfernt werden. Das Problem verlagere sich, es fließe inzwischen mehr Wasser über den Deixlfurter Bach ab. Krug befürchtet: "Jetzt können wir womöglich nicht mal mehr HQ 1 erfüllen." Also den Schutz für ein kleines Hochwasser, wie es statistisch jedes Jahr vorkommen kann. Krug würde sich wünschen, dass sich die Zuständigen nicht hinter Verordnungen verschanzten, sondern die Situation vor Ort berücksichtigten. "Dann wäre klar, dass sich selbst bei einem Dammbruch das Wasser lediglich über den Golfplatz ergießen würde." Der Leiter des Wasserwirtschaftsamts, Roland Kriegsch, widerspricht auf SZ-Nachfrage energisch: "Lassen Sie bei einem Dammbruch einen Todesfall haben, dann diskutieren wir ganz anders." Er zitiert die Regelwerke für Stauanlagen DIN 19 700 und das Merkblatt DWA-M 522, das erst seit Mai 2015 in Umlauf ist, und verdeutlicht, dass für die Behörde der Hochwasserschutz in Traubing gar nichts mit der Bemessung der Stauanlage zu hat. Das Amt habe im übrigen nichts dagegen, wenn sich die Gemeinde entscheide, den Langer Weiher so zu belassen, wie er jetzt ist: "Ein Biotop", so Kriegsch, mit einer Scharte in der Dammmitte, um den natürlichen Abfluss zu gewährleisten.

ÖDP-Politiker Krug findet den Zustand dagegen "erbärmlich". Tatsächlich besteht das kartierte Biotop im Landschaftsschutzgebiet nur noch aus einer verlandenden Wasserpfütze. Krug wundert sich, dass die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt dem tatenlos zusehe. Hans Otto sen., früherer langjähriger Vorsitzender der Kreisfischer, äußerte sich ebenfalls entsetzt: "Verheerend schaut's da aus, Gras und Aufwuchs sind drin." Stege seien zerstört, es würden Feste gefeiert und man habe erst kürzlich mindestens 40 kaputte Flaschen eingesammelt. Noch bis 2017 läuft der Pachtvertrag für den 300 Mitglieder starken Anglerverein.

In diesen Tagen ließen die Besitzer auf Betreiben des Wasserwirtschaftsamtes eine Sedimentsperre am Weiherdamm errichten. Sie soll das Ausschwemmen von Schlamm talabwärts verhindern. Im Rathaus erwägt man nun auch kleinere Dammaufschüttungen im Wald, um dem Schwarzen Bach Einhalt zu gebieten. Nach dem Katastrophenalarm am Sonntag in Polling zeigte sich Krug vor Ort in Traubing erleichtert über relative Normalität. Dass der Schwarze Graben momentan etwas höher daherkomme, erklärte der Gemeinderat Peter Stich mit dem geplanten Sautrogrennen kommenden Samstag. Man habe den Bach mit Brettern "ein bisserl angestaut".

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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