Tutzing:Der Frust wächst

Lesezeit: 2 min

Viele Flüchtlinge würden gern arbeiten. Aber Vorschriften und Verbote hemmen sie. Der Tutzinger Unterstützerkreis bekommt Unterstützung von der Landtagsabgeordneten Christine Kamm

Von Manuela Warkocz, Tutzing

In Helferkreisen macht sich Frust breit. Viele Flüchtlinge - zur Untätigkeit verdammt - sind zermürbt. Arbeitgeber verärgert. Der Ökumenische Unterstützerkreis in Tutzing will diese unbefriedigende Situation mit immer mehr bürokratischen Hürden, die als schikanös empfunden werden, nicht hinnehmen. Migration und Flucht seien auch nach den Wahlen ein "Brandthema", finden die 50 aktiven Helfer, die derzeit 70 Flüchtlinge in der Seegemeinde betreuen. Unter dem Titel "Integration? Bessere Lösungen jetzt! Was machen wir mit den Geflüchteten?" luden sie am Montag ins Roncallihaus. Der Abend mit etwa 60 Zuhörern verlief allerdings recht eindimensional. Denn bei der Referentin rannten die Helfer offene Türen ein.

Christine Kamm, Landtagsabgeordnete der Grünen, zeigte sich rundum verständnisvoll und unterstützungsbereit, gegen spezielle bayerische Hemmnisse in der Flüchtlingspolitik zu kämpfen. Die Sprecherin für Flüchtlings-, Migrations-, Europa- und Entwicklungspolitik ihrer Partei engagiert sich seit den 1990er Jahren für Asylbewerber. Roncalli-Hausherr Peter Brummer kennt Kamm aus seiner Pfarrzeit in Augsburg, als man gemeinsam den Flüchtlingsrat aufbaute. Brummer erinnere daran, dass in Tutzing derzeit Menschen mit Herkunft aus über 100 Nationen leben, viele seit Jahrzehnten. "Im lebendigem Organismus eines Gemeinwesens ist das Ankommen von Fremden eine Dauerthematik", unterstrich der Pfarrer. Ihn irritiere die Aussage, man könne doch nicht alle hier aufnehmen. "Völliger Blödsinn, in Europa sind gerade mal zwei Prozent von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit", machte er deutlich.

Christine Kamm griff die Einigung der Union auf eine Begrenzung von etwa 200 000 Flüchtlingen jährlich für Deutschland auf. "Wenn wir's klug machen würden, könnten wir sicher mehr aufnehmen", vertrat sie die Position, mit der die Grünen in die bundesweiten Koalitionsverhandlungen gehen. Dazu sollten nicht nur die Asylverfahren beschleunigt, sondern vor allem Arbeitserlaubnisse erteilt werden. "Arbeitsverbote sind unmenschlich", so die Abgeordnete. Und die Erteilung mit der Vorlage eines gültigen Passes zu verknüpfen, etwa für Afghanen, sei realitätsfern. "Wie soll man zu Papieren kommen, wenn dazu ein männlicher Verwandter nach Kabul ins Innenministerium muss?" Kamm riet, Petitionen an den Landtag zu richten.

In der zweieinhalbstündigen Veranstaltung berichteten auch Tutzinger Arbeitgeber von ihren Erfahrungen (siehe unten) und Flüchtlinge kamen zu Wort. Wie Kwaja Ghaffar. Der 26-Jährige hat einen Studienabschluss, bekam vor sechs Monaten eine Zusage als Krankenpfleger, aber keine Arbeitsgenehmigung. "So viel Potenzial wird blockiert, weil die Behörde hier ihren Ermessenspielraum nicht ausschöpft", kritisierte Moderatorin Cornelia Janson das Landratsamt. Auch Peter Frey vom Sprecherrat des Fachteams Arbeit aller Asylhelferkreise im Landkreis beklagte den Punkt. Die eh schon im Vergleich zu anderen Bundesländern restriktiven Vorgaben des Innenministeriums würden in Starnberg besonders eng ausgelegt, obwohl Landrat Karl Roth das Gegenteil behaupte. Kreisrat Bernd Pfitzner (Grüne) gab den Tipp, dass in manchen Fällen der "kurze Dienstweg" über die Kreisräte helfe.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: