Tutzing:Der Blickfang

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Tutzing um 1874: Die Seeansicht zeigt das damals noch frei stehende Landhaus von Menachion Kohn mit Türmchen, heute Waldschmidtstraße 21. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Historisches Gebäude in Tutzing soll abgerissen und durch einen optisch ähnlichen Neubau ersetzt werden

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Als "Seeblick", "Schönblick" oder gar "Judentempel" war das schmucke Landhaus bekannt, das sich Menachion Kohn 1873 an der Bahnlinie hoch über Tutzing bauen ließ. Von einem Türmchen aus ließ sich von dem frei stehenden Haus weithin übers Land und den Starnberger See blicken. Auf einer alten Ortsansicht, die Kreisheimatpfleger Gerhard Schober in seinem Bildband "Frühe Villen und Landhäuser am Starnberger See" abgebildet hat, zeigt sich die Villa als prägendes Gebäude. Auch "Villa Victoria" hieß das Anwesen in der Seegemeinde. Denn ein Nachfahre des Erbauers, Johann Kohn, betrieb in München das "Cafe Victoria". Später firmierte es unter der Adresse "Tutzing Nr. 66".

Mittlerweile ist das Haus an der heutigen Waldschmidtstraße 21 längst in der Umgebungsbebauung verschwunden. Jetzt soll das Gebäude, das nicht denkmalgeschützt ist, abgerissen werden. Eine Sanierung des Altbaus wurde als zu aufwendig eingestuft. Der Neubau soll aber das äußere Erscheinungsbild und den historischen Charakter unverändert widerspiegeln. "Ein sehr guter Kompromiss", wie Rathausverwaltung und Bauausschuss übereinstimmend feststellten.

Dem heutigen Eigentümer, einem Medizin-Professor aus Berlin, war offenkundig an dem historischen Bestand gelegen. Er zog einen auf Altbauten spezialisierten Architekten aus Gräfelfing zu Rate. Der kam in einem Gutachten zu dem Schluss, dass eine Sanierung des mehr als 130 Jahre alten Baus nach heutigen Schall-, Wärme und Brandschutzvorschriften zwar "technisch machbar, aber aufwendig" wäre. So müssten in die alten Holzbalkendecken mit Fehlboden-Konstruktion Betondecken eingezogen werden. Auch die Sanitärausstattung mit Fliesen, die Heizung und Elektroinstallation müssten total erneuert werden. Innentüren ließen sich wegen neuer Grundrisse nicht verwenden. Der Dachstuhl genüge nicht statischen Dimensionen. Fotos zeigen, dass das Haus auf Ziegelmauerwerk ohne Bodenplatte steht, die Westseite sogar teilweise auf einem mächtigen Findling. Sichtbar sind auch eindrucksvolle Kellergewölbe.

Inwieweit sie erhalten bleiben, ist unklar. Denn der Ersatzneubau, auf den man sich nach mehreren Planungsrunden, Besprechungen und der Aufstellung eines Bebauungsplans samt Veränderungssperre nun geeinigt hat, sieht ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage vor. Das Gebäude fällt dank eines kleineren Treppenhauses und schmäleren Vorbaus auf der Ostseite kompakter und 23 Zentimeter niedriger aus als der Bestand. Die versiegelte Fläche verringert sich gar um 152 Quadratmeter, was begrüßt wurde. Der Zustimmung zuträglich dürfte auch folgender Vorschlag des Eigentümers gewesen sein: Er bietet eine Vereinbarung mit der Gemeinde an, die geplante Einliegerwohnung mit 50 bis 80 Quadratmeter unterhalb der Terrasse mietpreisgebunden zu einem reduzierten Preis etwa an langjährige Tutzinger zu vermieten. Das Türmchen, das ursprünglich auf dem Haus thronte und verschwunden ist, wird es den Plänen zufolge auch künftig nicht wieder geben.

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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