Tutzing:Büffel zum Frühstück

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Nein, das ist nicht der Oberbürgermeister von Istanbul, sondern ein Großbäcker, den Fritz Häring besucht hat. Mit überraschenden Ergebnissen. (Foto: Bayerischer Rundfunk)

Fritz Häring, Wirt vom Tutzinger Midgardhaus, hat sich fürs Bayerische Fernsehen in Istanbul umgeschaut. Herausgekommen ist eine Art Underground-Movie, das an Christi Himmelfahrt gesendet wird

Von Otto Fritscher, Tutzing

Im vergangenen November hat Fritz Häring fast öfter vor der TV-Kamera gestanden als am Herd im heimischen Midgardhaus. "Ja, das war mein bisher intensivster Fernsehmonat", sagt Häring und lacht. Zehn Tage haben die Dreharbeiten gedauert für die neueste Ausgabe der Reihe "Appetit auf . . .", diesmal war Istanbul der Plot, nach den beiden Sendungen "Appetit auf Tel Aviv" und "Appetit auf Jerusalem" - einfühlsame Städte- und Menschenportraits, oft abseits ausgetretener Pfade. Doch der Plot in Istanbul waren nicht die einzigen Dreharbeiten: Im Oktober wurde die nächste Folge von "Bayern isst bunt" aufgezeichnet, das sich mit Chinesen, die in München leben, beschäftigt. Dabei geht es um die kulturelle, aber auch kulinarische Vielfalt, die es in Bayern gibt.

"Appetit auf Istanbul" indes ist fast ein politischer Film geworden. Was Häring so nicht behaupten würde, er spricht eher von einem "Underground-Movie". Doch dass Häring keine Sympathie für den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan hegt, wird in vielen Szenen klar. Und dass er sich mit Machos und Großmannssucht schwer tut, ebenfalls. Etwa, wenn er mit einem Großbäcker spricht, der seine Angestellten wie Leibeigene behandelt. Und der nicht mit einer Frau als Dolmetscher reden will. Häring passt sich an die Situation an, hält sich zurück, lässt den mit einer protzigen Kette ausstaffierten Unternehmer einfach reden - der und das spricht sozusagen für sich selbst. Und dann ist da etwa das Treffen mit dem Rapper, der für seine Erdoğan-kritischen Texte immer "mit einem Bein im Gefängnis steht", wie Häring sagt. Und da ist ein Philosoph, der sich dann als tanzender Derwisch outet. "Wir wollten das Lebensgefühl in Istanbul einfangen, und für viele ist Erdoğan nur eine Episode", ist die Erfahrung von Häring.

Wie kommt man an solche Menschen, zu denen etwa auch der Leibarzt des orthodoxen Patriarchen von Istanbul zählt? "Es war eine intensive Recherche, die lange gedauert hat und ziemlich aufwendig war", sagt Häring. Manchmal musste am Set aber auch improvisiert werden. "Für Aufnahmen, die wir mit einer Drohne machen wollten, haben wir keine Genehmigung bekommen", sagt Häring. Was tun? Den Drehtag nutzlos verstreichen zu lassen, kam nicht in Frage. So entstand die Idee, den Tonmann, einen in Berlin arbeitenden Türken, als Touristenführer zu engagieren.

Beeindruckt hat Häring auch der Besuch in einem Frühstücksrestaurant, das in dritter Generation familiengeführt ist. "Dort gibt es das ganze Frühstück nur aus Büffel-Produkten", erklärt Häring, was aber kein Gag sei, sondern eine türkische Tradition wie in Bayern eben die Weißwürste. "Salami, Schmalz, Joghurt, Käse, Filets - alles, was so ein Büffel eben hergibt", erinnert sich Häring. "So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen." Aperçu am Rande: Der Bruder des Lokalbesitzers war mal Leibwächter von Ronald Reagan. "Und so hat er auch geschaut", sagt Häring. Kräftig und gut genährt also. "Kein Wunder, wenn es immer Büffel zum Frühstück gibt."

Eine junge chinesische Familie in München steht diesmal im Mittelpunkt der neuesten Ausgabe von "Bayern isst bunt". "Wir haben zusammen eingekauft und gekocht, etwa süß-sauren Fisch und Gemüse", sagt Häring. Und da es um das chinesische Mondfest geht, hat der Tutzinger auch Mondkuchen probiert, ein Glückskuchen, in dessen Inneren sich etwa ein Fischkopf - oder im Fall von Häring - ein Enteneidotter verbirgt. "Ein Fruchtbarkeitssymbol", erklärt Häring und lacht. Gedreht wurde noch in einem chinesischen Lokal in der Au, und im chinesischen Pavillon im Westpark. Am unangenehmsten empfand Häring seinen Besuch beim Heilpraktiker, der ihn gemäß traditioneller chinesischer Medizin schröpfte. "Der hat ganz schön hingelangt", sagt Häring, die Kamera war hautnah dabei.

Von der Rolle des TV-Kochs, der in Töpfen und Tiegeln herumrührt und den Zuschauern dabei schlaue Tipps gibt, hat sich Fritz Häring inzwischen weit entfernt. Mehr als 200 TV-Sendungen hat er gemacht, er ist inzwischen weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt. Besonders, seitdem die Sendungen etwa über den Fernseh-Kanal der Deutschen Welle weltweit ausgestrahlt werden, oder auf Phoenix zu sehen sind. "Nach der Sendung aus Jerusalem hat uns die jüdische Gemeinde in Harlem eingeladen", erzählt Häring. Ob er jemals dort hinfahren wird, das weiß er nicht.

Mit einer Zuschauerquote von regelmäßig mehr als zehn Prozent hat sich "Appetit auf . . ." eine Fangemeinde erobert. Es wird wohl weitergehen, allen Sparmaßnahmen beim Bayerischen Rundfunk zum Trotz. Möglicherweise ist das nächste Ziel die portugiesische Hauptstadt Lissabon, das steht noch nicht fest. Dafür ist das Thema der nächsten "Bayern isst bunt"-Folge bereits klar: Sie wird sich um das slowakische Kirchweihfest drehen, und wohl auch um Kirchweih herum im Herbst ausgestrahlt werden. "Aber natürlich ist und bleibt mein Lokal hier in Tutzing das Wichtigste für mich", sagt Häring. "Denn da hängt mein ganzes Herzblut drin."

"Appetit auf Istanbul" wird am Donnerstag, 5. Mai, Christi Himmelfahrt, um 19 Uhr, im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt. "Bayern isst bunt" über die chinesische Gemeinde in München ist bereits am Sonntag, 1. Mai, 19.45 Uhr, zu sehen.

© SZ vom 29.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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