Tutzing:Beherzt

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"Die Zauberflöte im Taschenformat" am Starnberger See

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Wer kennt sie nicht, die Zauberflöte! Von der Popularität her sind die Musiken dieser Mozart-Oper wohl die größten Gassenhauer aller Zeiten. Das geniale dabei: Man kann sich an der Oper nicht satthören. Das bestätigte in der Evangelischen Akademie Tutzing beim fast ausverkauften Konzert der Musikfreunde der lang anhaltende Schlussapplaus, obgleich es hier ja nur um "Die Zauberflöte im Taschenformat" ging. Der mit Mozart befreundete Johann Nepomuk Wendt hatte die Reduktion für Flöte (Oboe) und Streichtrio besorgt, die an Abend von Mitgliedern der Münchner Philharmoniker vital und packend dargeboten wurde.

Diesen Zugriff verdankte die Aufführung vor allem Michael Martin Kofler, der mit seiner Flöte nicht nur jeweils den Gesangspart zu übernehmen hatte, sondern auch die virtuose Ausgestaltung, die er mit Bravour, aber auch Präzision und Straffheit schmetterte. Den Streichern mit Katharina Triendl (Violine), Bukhardt Sigl (Viola) und Elke Funk-Hoever (Violoncello) fiel vor allem die Aufgabe zu, für Orchestersubstanz und Atmosphäre zu sorgen. Gerade Letzteres ist in der Oper ungeheuer wichtig, denn hier stehen Liebesromantik zwischen Tamino und Pamina, Komik des Papageno und der Papagena, rachelüsterne Dramatik der Königin der Nacht und ihrer drei Hofdamen und die freimaurerische, mit hehren Idealen aufgeladene Tiefsinnigkeit des Sarastro und seiner Priester eng nebeneinander. Mehr noch: Sie sind auf kongeniale Weise miteinander verwoben. Das alles will klar geordnet sein, um bei der Vielfalt von Emotionen dennoch die Schlüssigkeit des Originals zu erhalten.

Aber gar so ernst nahm es die Truppe nicht. Der Salzburger Gottfried Franz Kasparek - freier Dramaturg, Essayist, Moderator, Festivalmacher -, der hier die Inhalte der Geschichte mit einer so sonoren Stimme vortrug, dass die bereitgestellte Lautsprecheranlage nicht zum Einsatz kommen musste, wagte es, Opernmoderationen im Stil Loriots mit Fingerspitzengefühl einzuflechten. Die (hier fiktive) szenische Bühnenrealität mit der Handlungsrealität zu konfrontieren, oder auch etwas saloppe Formulierungen aus der heutigen Sicht zu verwenden, führte quasi automatisch schon eine gewisse Komik herbei. Zumal da sie im vollen Ernst vorgetragen wurde. Trotz der Faschingszeit also keine Kalauer zum Schenkelklopfen, sondern gelungene Pointen zum vornehmen Schmunzeln.

Bei einer derart bekannten Oper ließ es sich wunderbar mit Worten und Andeutungen spielen. Sobald aber die Musik erklang, ging der Vorhang des großen Welttheaters wieder auf. Selbst in der Reduktion auf Kammermusikgröße erklang die großartige kompositorische Balance und Feinsinnigkeit der hintergründigen Textausdeutungen emotional packend. Aber schließlich musste ja Mozart seine Behauptung in die Tat umsetzen. Die Macht der Zauberflöte und des Glockenspiels, die Tamino und Papageno aus Notlagen befreit sowie Frieden und Frohsinn stiften kann, ist keine marginale Botschaft der Oper. Und das Quartett des Abends hielt sie immer wieder hoch, im Grunde schon in "Dies Bildnis ist bezaubernd schön", um die Süße der Liebe auszugießen. Vor allem aber in den freimaurerischen Botschaften Sarastros, etwa wenn es da hieß "In diesen heilgen Hallen, kennt man die Rache nicht". Kasparek wollte es auch auf keinen Fall versäumen, diese so zutiefst aufrichtige Friedensdichtung des Librettisten Emanuel Schikaneder vorzutragen. Ein Spannungsmoment, der seine berührende Wirkung nicht verfehlte.

Einmal mehr wurde hier klar, dass "Die Zauberflöte" ein Gesamtkunstwerk ist, das durch kaum eine Reduktion oder Umgestaltung inhaltlich Schaden nehmen kann. Schon gar nicht, wenn die Musiker derart beherzt und mit großer Spiellust und der Moderator mit Respekt vor den großen Idealen zur Tat schreiten.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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