Kulturnacht:Angekommen in Tutzing

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In Liedern, Geschichten und Ausstellungen betont die Kulturnacht das Verbindende. Im Gemeindehaus wird senegalesisch getrommelt, in der Realschule die Freundschaft beschworen

Von Manuela Warkocz, Tutzing

In dieser Nacht hätte man sich am liebsten beamen lassen. Zack-zack von einem der zwölf Veranstaltungsorte zum Nächsten, um möglichst viel von der Palette der 13. Tutzinger Kulturnacht zu erhaschen. So zogen viele Tutzinger am Freitag mit dem bewährten ausklappbaren Faltblatt in der Hand und einem ausgetüftelten Zeitplan im Kopf vom Rathaus über die diversen örtlichen Schulen und Kirchen zu den Akademien, um sich kurz vor Mitternacht leicht erschöpft in die Kinosessel des Kurtheaters sinken zu lassen. Andere ließen sich einfach treiben oder von Freunden mitreißen. Ausstellungen, klassische Musik, Jazz, Musical, Schulshows und eine japanische Teezeremonie - Tutzings Kulturreferentin Brigitte Grande rückte die kulturelle Vielfalt des Ortes mit mehr als 400 Mitwirkenden ins beste Licht. Und die zahlreichen Besucher nahmen das kostenlose Angebot begeistert an.

Bürgermeister Rudolf Krug machte bei der Eröffnung auf der Rathaustenne deutlich, dass die Kulturnacht auf dem Engagement zahlreicher Künstler, Bildungseinrichtungen, Vereine und speziell Menschen aus aller Welt beruhe, "die in Tutzing angekommen sind und hier leben und wirken". Mit dem diesjährigen Motto "Kulturen aus aller Welt" verknüpfte Krug den Dank an alle hilfsbereiten Bürger, die in Sachen Willkommenskultur "bisher einen guten Job gemacht" hätten. Tutzing wolle darüber hinaus vermitteln, dass hier eine "Will-Bleiben-Kultur" herrsche. Ein Wunsch, den Pfarrerin Ulrike Wilhelm mit den Musikern Christian Benke und Thoralf Abgarjan singend und swingend bekräftigte: "Zeit is worn, dass ihr kemma seids und uns an Spiegel vorhalt's".

Wie viele bekannte Tutzinger Persönlichkeiten tatsächlich "Zuagroaste" sind führte die Ausstellung "Angekommen" im Rathaus vor Augen. Künstler der Fotogruppe Traubing haben, unterstützt vom Ökumenischen Helferkreis und dem Rotary-Club, großformatige schwarz-weiß-Portraits realisiert. Sie sind Ausdruck dafür, dass Tutzing schon immer ein Zuwanderungsort gewesen ist - für Vertrieben nach dem Zweiten Weltkrieg, aus beruflichen oder familiären Gründen oder aktuell für Kriegsflüchtlinge. Ein Bild von Akademiedirektor Udo Hahn, zugezogen 2011 aus Hannover, hängt neben einem Foto von Abdelhadi Elharti, der im Wertstoffhof arbeitet und 2008 aus dem marokkanischen Agadir kam. Rockstar Peter Maffay aus Rumänien ist ebenso vertreten wie die armenische Sängerin und Englischlehrerin Anahit Abgarjan, die seit 2003 in Tutzing lebt, der frühere Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier und Altbürgermeister Alfred Leclaire. Die Ausstellung hängt noch bis zum 17. Januar.

In Stille, ja geradezu Meditation konnte man bei der Tee-Zeremonie in der Franziskuskapelle eintauchen. Zen-Meister Werner Engelhardt zelebrierte mit seiner Weilheimer Gruppe mit Bonsai und Bambusmatte das Tee-Ritual an einem Feiertag. Man hätte sich allerdings ein paar erklärende Worte gewünscht zu Glöckchen, Stöckchen, allem Drumherum.

Gemeinsames Musizieren mit Senegalesen, Tanz und Geschichten luden im gemütlich-dämmrigen Kaminzimmer des Evangelischen Gemeindehauses zum Verweilen ein. Bis auf die Galerie hinauf drängten die Besucher, lauschten den eindringlichen Erinnerungen, die Moderatorin Christine Adler von der Flucht ihrer Großtante Traudl Kling im Treck aus Siebenbürgen vortrug. Anrührend das Deutsch und Englisch gesungene "Muss i denn zum Städtele hinaus" mit Gitarrist Erik Berthold.

"Showtime" hieß es in der Benedictus-Realschule. Direktorin Angela Richter freute sich, dass 80 der 510 Schüler das fantasievolle Programm unter dem Titel "Es lebe die Freundschaft" auf die Bühne stellten. Julia Pietsch als Giraffe und Lucia Biffi als Affe etwa verwandelten Heinrich Heines Ballade "Vom tugendhaften Hund" in einen coolen Rap.

Wer sich gegen 20 Uhr dachte: "Jetzt wäre etwas zu Essen recht", sah sich bei der Tutzinger Gilde in der Grundschule einem köstlichen Büffet "bayerischer Tapas" gegenüber. Die ließen sich genießen zu Klängen der Gildebläser unter Gerold Sturm und "Gschichten vom See" mit Altbürgermeister Peter Lederer. Weil die Nacht doch empfindlich kalt war, fiel das Flanieren heuer weitgehend flach. Viele Besucher kutschierten mit dem Auto umher. Ein Rundtour-Shuttle wäre da eine gute Alternative.

Kluge Besuchspolitik betrieb Marlene Greinwald an diesem Abend. Ihr Mann hatte diverse Konzerte auf dem Schirm. Sie selbst repräsentierte als Dritte Bürgermeisterin bei der offiziellen Eröffnung im Rathaus, widmete sich dann als Schulreferentin den Schulveranstaltungen, um mit der Vernissage der Fotoausstellung "Leben auf der Flucht" in der Politischen Akademie ihren persönlichen Schlusspunkt zu setzen. Die Einführung über Fluchtursachen mit Initiator Mirco Keilberth und dem Pressesprecher der Münchner Sicherheitskonferenz, Oliver Rolofs, sprengte zwar den für die Kulturnacht vorgegebenen Rahmen von 45 Minuten. "Aber das sollte jeder hören", zeigte sich Greinwald von dem Gehörten begeistert.

In der Evangelischen Akademie zollten etwa 150 Zuhörer dem Auftritt des Chors "Blue Notes" Applaus. 40 Mitwirkende gaben unter Waltraud Brod Melodien aus dem "Phantom der Oper" zum Besten. In den Salons ließen bei Jazzmusik viele den Abend ausklingen.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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