Tschernobylhilfe:Erholung in Tutzing

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Engagiert sich in der Tschernobylhilfe: Isabel von Casimir. (Foto: oh)

Seit 23 Jahren holt die Tschernobylhilfe Kinder und Mütter in den Landkreis

Von Anna-Elena Knerich, Tutzing

Sieben Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe von 1986 hatten einige Tutzinger nach einem Strahlenschutzvortrag die Idee, erkrankte weißrussische Kinder für drei Wochen in Gastfamilien in der Umgebung unterzubringen. Daraus entwickelte sich durch die Unterstützung vieler Ehrenamtlicher und Sponsoren die fest etablierte "Tschernobylhilfe Tutzing" - und die jährliche Begegnung mit den Tschernobylbetroffenen ist seitdem ein fester Bestandteil der Gemeinde: Zum 24. Mal kommen dieses Jahr Ende Juni um die 20 vorwiegend körperlich behinderte Kinder und deren Mütter zur Erholung, Entlastung und Betreuung in den Landkreis. Sie sind dringend erholungsbedürftig - denn heute, 30 Jahre nach dem Unglück, gibt es vom weißrussischen Staat keine Renten oder finanzielle Unterstützung mehr für die Tschernobylopfer, die Gefahren durch Strahlung wurden offiziell für beendet erklärt. "Die Mütter leisten wahnsinnig viel, sie pflegen und versorgen ihre kranken Kinder meist ohne Hilfe. Die Behinderten und ihre Familien werden in ihren Dörfern ausgegrenzt und oft verlacht," erzählt Isabel von Casimir (66), die sich mit Gabi Wunderwald seit der Gründung ehrenamtlich in der Tschernobylhilfe engagiert.

Seit einigen Jahren organisieren sie den Aufenthalt der Kinder und Mütter im Selbstversorgerhaus Magnetsried, wo die Weißrussinnen dank großzügiger Lebensmittelspenden von der Bäckerei Meier oder Molkerei Scheitz unbekümmert kochen können, wie Isabel von Casimir berichtet: "Sie genießen besonders die Milchprodukte, denn obwohl die Nahrungsmittel in ihrer Heimat angeblich nicht mehr verstrahlt sein sollen, sind die Menschen dort nach wie vor skeptisch beim Essen." Die Organisation veranstaltet Ausflüge oder Gottesdienste und geschulte Therapeuten leiten die Mütter nachhaltig zur Eigentherapie an, wie zum Beispiel zur Krankengymnastik mit den behinderten Kindern. Dabei seien die weißrussischen Aussiedler aus der Gemeinde eine große Hilfe, denn sie vermitteln sprachlich zwischen den hilfsbereiten Tutzinger Ärzten und Apotheken und den Gästen aus Tschernobyl. Viele Tutzinger Familien und Geschäftsleute unterstützen das Projekt mit Sachspenden von Brillen, Hörgeräten und orthopädischen Schuhen oder Geldspenden, die ehrenamtliche Organisation ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Das Wertvollste für die Betroffenen sei jedoch die Wertschätzung, die sie in der Gemeinde erführen - "und auch für uns ist es jedes Jahr wieder eine rührende und bereichernde Begegnung," so von Casimir.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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