Tradition:Zahmes Derblecken

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Fein statt grob: Hans Horst Glas, Corinna Bürner und Horst Curth (v.li.) beim Politiker-Derblecken in Pöcking. (Foto: Arlet Ulfers)

Das Pöckinger Starkbierfest kommt heuer ohne derbe Späße aus, die Redenschreiberinnen wollen es so

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Corinna Bürner nimmt ein großes Taschentuch in die Hand und wischt ihrem Bühnenpartner Horst Curth fürsorglich den Schweiß von der Stirn. Es ist heiß in der Zimmerei Gansneder, in der die Parteilose Wählergruppe Pöcking (PWG) vor 24 Jahren erstmals das Starkbierfest mit Politiker-Derblecken veranstaltet hat. Das von Hans Horst Glas musikalisch begleitete Spektakel ist zu einer festen Größe geworden. Auch an diesen Samstag ist die Werkstatt proppenvoll.

Wie immer bringt PWG-Chef Albert Luppart die Besucher in Stimmung, indem er die Landkreis-, Landes- und Bundespolitik aufs Korn nimmt. Neu ist der Auftritt von Martin Engesser. Der "Pöckinger Willy Astor" erzählt eine wunderbare Geschichte von "König Rainer" (Bürgermeister Rainer Schnitzler) und "Kaiser Karl dem Großen" (Landrat Karl Roth). Vor dem Hintergrund, dass Roth im kommenden Jahr nicht mehr zur Wiederwahl antritt und der Starnberger CSU-Stadtrat Stefan Frey seine Nachfolge antreten will, lässt er Kaiser Karl sagen: "Wenn es nach mir geht, bin ich nächstes Jahr eh Frey".

Seit 2018 sind auch die Nachwuchs-Kabarettisten Anna Gansneder, Chrissi Zingraff, Lukas Eppinger, Andi Schlepp und Markus Eichner mit ihren Sketchen "Altbairisch für Einstiger" dabei. Und noch etwas hat sich geändert: Mit Corinna Bürner und Hausherrin Lili Gansneder ist ein rein weibliches Redenschreiber-Duo für die Spott-Verserl zuständig. Die beiden haben strenge Regeln eingeführt: keine frauenfeindlichen Witze mehr, keine Angriffe unter der Gürtellinie und keine Gemeinheiten über den politischen Gegner oder das bislang liebste Angriffsziel, "die Lindenbergler". Das mischt die Männer-Domäne ganz schön auf, und Horst Curth, der schon zum 22. Mal den Freizeitkabarettisten gibt, gerät auf der Bühne ins Schwitzen über die seiner Meinung nach viel zu laxen Trinksprüche, die ihm in den Mund gelegt werden. Der ehemalige Präsident des Faschingsclubs ist überzeugt davon, dass man in Bierzelt-Atmosphäre ohne den einen oder anderen deftigen Witz oder sexistischen Seitenhieb nicht auskommt. Jetzt aber wird Feineres serviert, und die PWG lacht vorwiegend über sich selbst. Das kommt gut an beim Publikum. Die etwa 160 Besucher spenden großzügig Applaus.

Curth zieht sich eine Gelbweste über Trachtenhemd und Lederhose und gibt den einzigen Revoluzzer im beschaulichen Dorf. Gleich geht er zum Angriff auf Maising über. Obwohl der Streit um den Kirchenweg längst ad acta gelegt worden ist, taten sich in dem Ortsteil erneut "Schießgräben" auf, als unerwartet Feuerwehr-Chef Anton Klostermeier abgewählt wurde. Der wehrte sich auf seine Weise und erteilte den Veranstaltern des Christkindlmarktes auf seinem Grundstück Hausverbot. Wie jedes Jahr ist das neue Haus der Bürger und Vereine Thema. Die Namenssuche für das "SpKuZ" (Sport- und Kulturzentrum) wird aufs Korn genommen und die geplante Einweihungswoche. Kurz wird gegen die Grünen gestichelt, die die Luft mit SUVs verpesten, so der Vorwurf. Auch Bürgermeister Schnitzler muss sich einiges gefallen lassen. Als "Gutachter-Schnitzi", der immer einen Beweis von studierten Leuten braucht, bevor er entscheidet, und als "Mr. Saubermann" wäre er gut geeignet als Landratskandidat der Freien Wähler - wenn es nicht PWG-Chef Albert Luppart gäbe. Der hat schon mal für den Posten kandidiert, wer weiß, ob er wieder antritt? Luppart selbst sagt am Rande der Veranstaltung nur: "Es ist alles offen."

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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