Tradition:Mit Mutplätzchen in den Ammersee

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Die Herrschinger Weihnachtsschwimmer werfen sich an Heiligabend übermütig ins sechs Grad kalte Wasser. Von den Zuschauern am Ufer gibt's dafür Applaus.

Von Marcella Rau, Herrsching

Heiligabend in Badehose am Strand zu verbringen, zur Abkühlung kurz ins Wasser springen - eine Vorstellung die durchaus ihren Reiz hat, sofern man exotische Strände und tropische Temperaturen im Sinn hat. Aber bei vier Grad Außentemperatur im Bikini am Seespitz zu stehen, um dann im Ammersee schwimmen zu gehen, der das Thermometer nicht einmal zwei Grad höher klettern lässt, dafür braucht es schon etwas mehr Mut. Den bringen etliche Herrschinger jedes Jahr aufs Neue auf. Auch heuer trafen sie sich zum Weihnachtsschwimmen, das inzwischen zur Tradition geworden ist.

Angefangen hat alles vor zwanzig Jahren mit drei Freunden, die noch einmal ihre alten Neoprenanzüge testen wollten. Daran erinnert sich Rainer Königsberger, der das Weihnachtsschwimmen mit Ulrich Vielhaber und Peter Brunner ins Leben gerufen hat. "Das Lästigste allerdings war es, uns in die Anzüge zu zwängen. Also haben wir beschlossen, einfach in Badehosen ins Wasser zu gehen." Schon war die Idee zum Weihnachtsschwimmen geboren. Lange jedenfalls sollten Königsberger und seine Freunde nicht zu dritt bleiben. Immer mehr Herrschinger schlossen sich den Schwimmern an und in jedem Jahr kommen wieder neue hinzu. Andreas Andresen etwa wagte heuer das erste Mal den Sprung ins eisige Wasser. Als er davon gelesen habe, erzählt Andresen, der erst im vergangenen Jahr in die Ammerseegemeinde gezogen ist, stand für ihn fest, dass er unbedingt dabei sein wollte. Seine Schwägerin und deren Vater hat er auch gleich noch mitgebracht. So mutig wie die drei sind dann aber doch bei weitem nicht alle, die sich am Seespitz eingefunden haben. Wer am Ufer bleibt, hat Glühwein oder Gebäck dabei. Auch heiße Würstchen gibt es.

Dieser Krebs dürfte sich gewundert haben, was Rainer Königsberger (mit Mütze) und seine Freunde mitten im Winter in den Ammersee treibt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Mutplätzchen?", fragt Jessica Dorsch wenige Meter weiter und hält eine Blechdose auf. Ihr Kumpel Henry Lankes winkt ab. Schon zum fünften Mal ist der 22-Jährige dabei, viel Überwindung braucht es da nicht mehr. Dorsch selbst will aber lieber vom sicheren Ufer aus zusehen. "Viel zu kalt", findet sie. Für ihre Freunde gibt es dann aber bald kein Zurück mehr. Um Punkt zwölf ist es soweit. Wer in den See will, legt den Bademantel ab. Begleitet vom Applaus der Zuschauer geht es schließlich auf Kommando los. Einen Rückzieher macht keiner der 18 Schwimmer. Die meisten sind dann aber doch ebenso schnell wieder aus dem Wasser heraus, wie sie hineingelaufen sind. Nur ein paar Hartgesottene wagen sich bis zur ersten Boje vor, gehen später sogar ein zweites Mal ins Wasser. Einig sind sich danach aber alle: "Angenehm", sei es gewesen, so die einhellige Meinung, oder doch zumindest "gar nicht so schlimm".

Etwas Überwindung gehört sicherlich immer wieder dazu, gesteht auch Königsberger, der in den letzten zwanzig Jahren kein Weihnachtsschwimmen verpasst hat. "Aber wenn man dann aus dem Wasser kommt, würde man es am liebsten jeden Tag machen." Das Wetter jedenfalls hätte es den Schwimmern auch schwerer machen können. Es sei schließlich auch schon vorgekommen, dass man mit dem Eispickel Löcher in den gefrorenen See schlagen musste, erzählt Königsberger. Auch er pflichtet bei: "Im Vergleich zum letzten Jahr war es wirklich angenehm."

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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