Tassilo Kulturpreis der SZ:Pionier aus Leidenschaft

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Kein Tag ohne Musik: Der Dirigent und Organist Anton Ludwig Pfell zu Hause an seiner Orgel. (Foto: Georgine Treybal)

Anton Ludwig Pfell hat das Musikleben auf dem Heiligen Berg aufgebaut, zwei Chöre gegründet und die Idee zu den Carl-Orff-Festspielen entwickelt. Heute bereichert er die Herrschinger Konzertszene

Von Astrid Becker, Andechs

Wenn Anton Ludwig Pfell über sein Leben erzählt, leuchten seine Augen. Denn es ist so eng mit Musik verknüpft, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, die Welt der Klänge ist auch Pfells Welt. Und obwohl der heute 68- jährige Kirchenmusiker und Organist ist, beschränkt sich seine Leidenschaft keineswegs nur auf die geistliche Musik. Man denke einfach mal an die Carl-Orff-Festspiele in Andechs, die es ohne Pfell nie gegeben hätte. Sie fanden zwar vor religiösem Hintergrund statt - immerhin war das Kloster Andechs massiv involviert -, widmeten sich aber dem Werk eines Komponisten, der von mittelalterlichen Mysterienspielen, griechischen Tragödien und volkstümlich-bairischen Geschichten inspiriert wurde.

Orff liegt in Andechs begraben. Allein das hätte Grund genug sein können, auf die Idee mit den Festspielen zu kommen. Doch für Pfell war es wahrscheinlich sogar etwas mehr, eine ganz persönliche Faszination. Und eine Verneigung vor dem Komponisten und der tiefen menschlicher Emotion, die in seinen Werken zum Ausdruck kommen kann, wenn man sie zu interpretieren weiß.

Dass er selbst ein Gespür für Musik besitzt, wusste Pfell aber nicht von klein auf. Er ist in einer kinderreichen Bauernfamilie im Bayerischen Wald aufgewachsen, in Ederlsdorf bei Obernzell. Musik war damals kein Thema für ihn. Konnte es auch nicht sein. Weder die Eltern noch die Großeltern spielten irgendein Instrument. Als drittältesten Sohn schickte ihn die Familie ins Priesterseminar. Nicht unüblich zu dieser Zeit in dieser Gegend.

Doch Pfells Bestimmung war der Beruf des Geistlichen sicher nicht. Er verließ das Priesterseminar als junger Mann auch wieder. Trotzdem ist er glücklich, dort gewesen zu sein. Denn dort durfte er Klavierspielen lernen, mit zwölf Jahren: "Ich habe also sehr spät angefangen, ein Instrument zu spielen." Erst mit 17 begann er mit der Orgel, offenbar mit einem so großen Talent, dass er einen der begehrten Studienplätze an der Regensburger Hochschule für katholische Kirchenmusik ergatterte: "Unser Pfarrer hat ein gutes Wort für mich eingelegt. Wir hatten ja kein Geld." Seinen ersten Arbeitsvertrag bekam er in Altötting als Stiftsorganist. Ein Job, der unter Kirchenmusikern höchstes Ansehen genießt. Umso größer war das Unverständnis, als er 1981 nach Andechs wechselte. In ein Dorf ohne jegliches Musikleben, noch dazu mit einer Orgel, die als schlecht galt. Für Pfell jedoch war es viele Jahre das Paradies. Er gründete den Freundeskreis des Klosters, organisierte mit dessen Hilfe Orgelkonzerte, Liederabende, Serenaden und baute gleich zwei Chöre auf - und er kämpfte zwei Jahrzehnte für eine neue Orgel. 2005 wurde ihm dieser Wunsch im Zuge der Renovierung der Wallfahrtskirche erfüllt. Ausgebaut wurde damals auch der Florian-Stadl. Zehn Jahre lang sollten dort die Carl-Orff-Festspiele stattfinden. Wehmut, dass diese Zeit vorüber ist, ist Pfell nicht anzumerken. Und auch keine Bitterkeit. Ein wenig verwunderlich ist das schon. Denn Wunden in seine Seele muss diese Zeit geschlagen haben. Als Chorleiter wurde er dort abgesetzt, und auch die Festspiele, immerhin seine Idee, gibt es in der einstigen Form nicht mehr.

Trotzdem blieb Pfell seiner Passion treu - noch heute. Obwohl er mittlerweile in Rente ist, kümmert er sich seit 2016 in Herrsching um Kirchenmusik. Viele seiner Sänger sind ihm dorthin gefolgt, weil sie ihn als Menschen und als Musiker gleichermaßen schätzen, wie viele erzählen. Aufbauarbeit musste er auch dort leisten: Es gab keinen hauptamtlichen Kirchenmusiker vor Pfell dort.

Doch Pfell wäre nicht Pfell, wenn ihn nur die geistlichen Klänge umtrieben. Eine große Leidenschaft hegt er auch für die Oper. Für die Dramen, für die großen musikalischen Liebesgeschichten. Im rumänischen Galati beispielsweise dirigierte er immer wieder Verdi. "Großartig ist das für mich", sagt er. Großartig ist aber auch sein Engagement für die Europäische Woche für Musik und Gesang in Palermo. Auch das ist Pfells Leidenschaft, der sich ein Leben ohne Musik wohl nicht vorstellen kann. Deshalb traut er sich bis heute an große Werke, schafft es, Laiensänger wie Profi-Musiker dafür zu gewinnen. Zuletzt beispielsweise für Händels "Messias" in Herrsching, den er mit seinem Chor und dem Orchester Ensemble Lodron München aufführte. Poetisch-anrührend war das. Und voller Harmonie. Eben ein echter Pfell.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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