Tassilo - Kulturpreis der SZ:Gautinger Geo-Poet

Lesezeit: 2 min

Man kennt ihn mit diesem Käppi: Gerd Holzheimer schafft es mühelos, komplexe Sachverhalte in einem einzigen knackigen Satz zusammenzufassen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Gerd Holzheimer führt Literatur an ihre Entstehungsorte zurück

Von Katja Sebald, Gauting

Zum hundertsten Geburtstag des Landkreises Starnberg im Jahr 2002 dachte er sich eine Reihe von literarischen Ortsbegehungen aus. Gleich bei der ersten wechselte er nach der Halbzeit keinen Geringeren als Harry Valérien ein, der mit einer Lesung aus den "Sportmärchen" von Ödön von Horváth zur Höchstleistung auflief. 15 Jahre später gibt es den "Literarischen Herbst" von Gerd Holzheimer immer noch: Seine Veranstaltungen, die Literatur an den Ort ihres Entstehens zurückbringen, haben Kultstatus. Sie fanden in Privathäusern und Schlössern, auf Berghütten und in Heustadeln, sogar in einem Atombunker statt. Ihr Erfinder ist mittlerweile mit dem Kulturpreis des Landkreises ausgezeichnet worden, aber seine literarischen Erkundungen erstrecken sich längst auf den ganzen Globus.

Als Sohn eines Landvermessers hat Holzheimer, der sich selbst als "Geo-Poet" bezeichnet, das literarische Bayern abgesteckt. Da ist es nur logisch, dass er auch Herausgeber der Kulturzeitschrift "Literatur in Bayern" ist. Seinem Wohnort Gauting widmete er einen "Dorfatlas", er war auf "Trüffeljagd im Fünfseenland" unterwegs, verfasste ein satirisch-essayistisches "Erotisches ABC" des Bairischen, ein Kompendium zum spirituellen Bayern, übersetzte "Le Petit Prince" ins Bairische und ist mit seinem soeben erschienenen Buch endlich auch beim "Kulinarischen Bayern" angelangt: Zusammen mit Dietlind Pedarnig hat er die schönsten Textschmankerl von Suppe bis Hofbräuhaus, von Brecht bis Rosendorfer zusammengestellt. Holzheimer selbst hat unter anderem einen wundersam holzheimerisch-hintersinnigen Text mit dem Titel "Heit gibt's a Rehragout" beigesteuert und liefert als bekennender Koch das Rezept gleich mit. Mit diesem jüngsten Buch sind es wohl um die 30, die Holzheimer verfasste oder herausgab. Und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen.

Holzheimer, Jahrgang 1950, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in München und gehörte zu den Protagonisten der Studentenrevolte. 1997 promovierte er als passionierter Wanderer mit einer Studie zur Poetik des Gehens in der Literatur zum Doktor der Philosophie. Er war als Gymnasiallehrer und als Lehrbeauftragter für Neuere Deutsche Literatur und Bayerische Literaturgeschichte tätig.

Legendär waren seine Seminare, die vorzugsweise in dem Unterrichtsraum stattfanden, der dem "Atzinger" am nächsten lag, und meistens auch dort endeten. Nicht das Abgehobene und Verquaste interessiert ihn an seinem Fach - oder seinen Fächern - sondern das, was mit dem echten Leben zu tun hat. Legendär ist aber auch sein von unzähligen Büchern bewohntes Haus in Gauting, zu dem auch ein Schwimmbad gehört, in dem er, wie Dagobert Duck in seinem Geldspeicher, in Büchern baden könnte.

Ebenfalls in Reichweite von geistvollen Getränken finden die literarischen Zeit- und Abenteuerreisen statt, zu denen Holzheimer seit einigen Jahren ins Kulturzentrum Bosco in Gauting einlädt, oder besser gesagt: in die dazugehörige Bar. Einen Sprecher oder eine Sprecherin für die literarischen Textpassagen und einen Stapel Bücher, mehr braucht er nicht, um seine Zuhörer an einem einzigen Abend durch ganze Epochen der Literaturgeschichte reisen zu lassen, manchmal auf verschlungenen Pfaden, von diesem zu jenem mäandernd, und manchmal mit heißen Reifen, Lebenswerke und komplexe Sachverhalte in einem einzigen Satz kurz und knapp zusammenfassend. Die Menschen zur Literatur bringen und, wenn es sein muss, dann eben einfach die Literatur zu den Menschen bringen: Das kann wohl keiner so gut wie Holzheimer.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: