Tassilo Kulturpreis der SZ:Eine Trommel Buntes

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Aufbauarbeit: Angela Stimmer vor dem Pöckinger Literaturcafé. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Angela Stimmer hat ein altes Waschhäusl zum Literaturcafé und zum Treffpunkt für die Pöckinger ausgebaut

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

"Es ist noch nicht aufgeräumt", entschuldigt sich Angela Stimmer, als sie die Tür zum Literaturcafé in ihrem Heimatort Pöcking aufschließt. Die Tische in dem hellen, freundlichen Raum sind festlich eingedeckt. Originalgemälde von Pöckinger Künstlern hängen an den Wänden. Am Vortag hatte in dem ehemaligen Waschhäuschen, das zu einem gemütlichen Literaturcafé umgebaut worden ist, eine Hochzeitsgesellschaft gefeiert. Stimmer, die Vorsitzende des Vereins Literaturcafé Waschhäusl, ist hochzufrieden und auch ein bisschen stolz. Ihre Wünsche haben sich erfüllt. Entgegen so mancher Unkenrufe, die dem Projekt keine Zukunft gaben, ist heute das Literaturcafé zu einem zentralen Treffpunkt für Kunst und Kultur in der Gemeinde geworden. Oder wie es Stimmer formuliert: das Waschhäusl hat eine Eigendynamik entwickelt. Es seien neue Freundschaften entstanden, die Verbindung der Pöckinger untereinander wurde intensiviert.

Hier treffen sich Frauen, die sich auf dem benachbarten Friedhof kennen gelernt haben, zum Witwenstammtisch. Auch einen Stammtisch für ältere Herren gibt es oder einen für eine Boule-Gruppe, die regelmäßig auf der Anlage im Literaturgarten spielt. Das Café, das an dreieinhalb Tagen pro Woche ehrenamtlich vom Verein betrieben wird, läuft so gut, dass mit den Einnahmen auch Künstler verpflichtet werden können, die etwas teurer sind. Es gibt ein Sonntagscafé mit Musik, Konzerte, philosophische Gesprächsabende, Veranstaltungen für Kinderphilosophie sowie Literatur- und Krimilesungen, Schreibworkshop und die neue Veranstaltungsreihe "Neue Wege - meine Wege".

Am Anfang war es nur eine Idee, die reifte, als Angela Stimmer vor sechs Jahren auf der Bank in dem idyllischen Garten des Alten Pfarrhauses saß. Die Gemeinde hatte bei der Sanierung des jahrhundertealten, zentral gelegenen Gebäudes den etwa 2000 Quadratmeter großen Garten umgestaltet und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Allerdings wurde der Blick getrübt durch das ziemlich heruntergekommene, ehemalige Waschhäuschen in der Mitte des Gartens. Die Pöckinger hatten bis dahin wenig Notiz genommen von dem Kleinod in ihrer Ortsmitte. Doch Stimmer gefiel das kleine Häuschen, das ihrer Meinung nach viel zu schade war, um lediglich als Lagerraum für Sonnenschirme zu dienen. Es könnte eine Plattform für Veranstaltungen entstehen, für Einheimische und Künstler, die sich ausprobieren und präsentieren wollen, dachte die Pöckingerin. Weil Stimmer selbst Gedichte verfasst, die sie am liebsten in einem Café schreibt, reifte die Idee, Kunst und Cafébetrieb miteinander zu verbinden.

Aus den ersten Vorstellungen wurde schließlich das Konzept Literaturcafé, das sie mit Freunden erarbeite, darunter dem Architekten Florian Wiesler und ihren Ehemann, dem Landschaftsarchitekten Marcus Stimmer.

Zunächst gab es viele Widerstände gegen das Vorhaben. Doch mit der für sie typischen ruhigen, sachlichen Art, mit viel Konsequenz und Ausdauer widerlegte Stimmer, die seit 1991 in Pöcking wohnt, alle Einwände. Ihr berufliches Knowhow als Verwaltungsbeamtin im Bereich Stiftungsrecht nutzte sie, um eine Satzung zu entwickeln und mit 16 interessierten Pöckingern den Verein Literaturcafé Waschhäusl zu gründen. Mit viel Eigenleistung bauten die Mitglieder das Häuschen um. Die Holzwände wurden ersetzt durch Glaswände. Es entstand eine Terrasse mit Sicht ins Grüne. Quasi nebenher hat Stimmer auch noch viele Bürger und Geschäftsleute für ihre Idee begeistert und "ein Netz von Zuständigkeiten" organisiert.

Handwerker arbeiteten zum Teil unentgeltlich oder spendeten Material. Pöckinger kamen vorbei, arbeiteten mit oder brachten eine Brotzeit. Manchmal fragt sich die 51-Jährige noch heute, wie sie das alles geschafft hat. Heute ist der Verein Mieter, und die ehrenamtliche Arbeit wird auf 140 Mitglieder verteilt. Auch wenn Stimmer auf die vielen Unterstützer verweist, ohne die das Projekt nicht zu verwirklichen gewesen sei, ist der Erfolg zum Großteil ihr zu verdanken. Sie ist und bleibt die treibende Kraft des Literaturcafés Waschhäusl.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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