Tankstofflager:Flüssiges Gold verschwindet

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29 Treibstofftanks mit 120 Millionen Litern Fassungsvermögen liegen in Krailling noch unter der Erde. In den nächsten Wochen rollen die staatlichen Spritvorräte nach Tschechien, in Krailling beginnt eine neue Zeitrechnung

Von Carolin Fries, Krailling

Mal spricht Katerina Radostova von einer "Blackbox", mal von einem "Diamanten". Gemeint ist dasselbe: Das ehemalige Nato-Gelände in Krailling. 240 Hektar groß und seit Jahren wie das Schloss von Dornröschen versteckt hinter Stacheldraht-Zäunen und Dornen liegend. Wie es hinter den Zäunen aussieht und was hier passiert, weiß kaum jemand. Dabei betont Radostova, dass man größtmögliche Transparenz wolle statt ewiger Geheimniskrämerei. Eine Gesellschaft bestehend aus drei privaten Investoren hat das Areal im Juli 2016 gekauft, nachdem die Viktoria-Gruppe insolvent war. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Ein wenig pikant damals: Der tschechische Staat hatte in Krailling acht Prozent seiner staatlichen Spritreserven gelagert, die nun schnellstmöglich zurück in Richtung Pilsen sollen. "Der tschechischen Republik war es wichtig, dass der Transport innerhalb von acht Wochen aktiviert wird", berichtet Rechtsanwalt Nico Skusa, der die Krailling Oils Development GmbH berät. "Für uns ein gewisses Risiko damals", bekennt die Geschäftsführerin der Krailling Oils Development GmbH, Katerina Radostova, freimütig.

Hier sind die Pumpen zu sehen, die den Diesel in die Eisenbahnwaggons leiten. (Foto: Nila Thiel)

Das Gelände ist so groß, dass man es kaum überblicken kann. Wie vergessen liegt es da, mal stärker, mal schwächer bewaldet. Dort, wo unter der Erde Zehn-Millionen-Liter-Tanks liegen, wölbt sich die Erde als begrabe sie einen überdimensionalen Luftballon. Lange Treppen führen hinauf auf die Hügel, auf denen kleine Wartungshäuschen stehen. In den Dachnischen nisten Vögel. Wer die Größe des Areals abschätzen will, muss mit dem Auto über Feldwege fahren, die sich hier wie ein Netz ausbreiten. Mal stehen am Straßenrand ein paar schon recht eingewachsene Autowracks, irgendwo steht das Haus des ehemaligen Direktors, ein recht baufälliges Gebäude. Einen kleinen Bereich im Norden hat seit 1996 die Flüssiggas Bayern GmbH zur Lagerung von Gasflaschen gemietet. Ansonsten ist nur eins: Natur.

Das alte Gutshaus ist längst baufällig. (Foto: Nila Thiel)

Ganze Herden von Damwild bewegen sich mit ihrem noch recht frischen Nachwuchs ungewohnt sicher auf dem Gelände. "Es muss einmal eingesetzt worden sein", sagt Nico Skusa. Feinde haben die Tiere hier nicht, die Population muss in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. Künftig wolle man deshalb eng mit einem Forst- und Jagdbeauftragten zusammenarbeiten, der Ordnung schafft. Ob und wie die Viktoriagruppe die Flächen bewirtschaftet hat, weiß Skusa nicht. Die Krailling Oils Development GmbH jedenfalls plant, in Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde und dem Forstamt einzelne Flächen ökologisch aufzuwerten und dafür sogenannte Ökopunkte zu bekommen. "Zur Zeit wird geprüft, wo welche Flächen dauerhaft genutzt werden können", sagt Skusa. Wirtschaftlich profitieren kann das Unternehmen dann, wenn es die entsprechend eingestuften Flächen an Bauträger oder die Gemeinde vermarktet, die für Bauvorhaben Ausgleichsflächen nachweisen müssen. Geld, das wiederum in Neupflanzungen oder Schutzmaßnahmen für besonders erhaltenswerte Bäume fließen kann, wie Skusa sagt.

Die Anwälte Katerina Radostova und Nico Skusa beraten die Krailling Oils Development GmbH. (Foto: Nila Thiel)

Hauptgeschäft wird die Lagerung von Diesel, Benzin und Jet-Treibstoff bleiben. Insgesamt gibt es 29 Tanks auf dem Gelände, die 120 Millionen Liter fassen. Von den tschechischen Reserven sind noch etwa 45 Millionen Liter da, schätzt Skusa. Im Laufe des Junis, spätestens aber im Juli, sollen die letzten Reste zurück in der tschechischen Republik sein.

Zwei bis drei Mal pro Woche rollt mittlerweile ein Zug mit 24 großen Kesselwagen auf das Gelände, die Logistik stellt der tschechische Staat. Die Mitarbeiter in Krailling - insgesamt gibt es neun - haben die Waggons dann zu befüllen. Das Hauptzollamts Rosenheim verplombt diese schließlich, ehe knapp eine Million Liter Diesel vom Gelände rollen. Inzwischen eine Routinearbeit, zu Beginn ein Wagnis - nicht einmal die Gleise waren betriebsbereit. Obendrein handelt es sich um einen Gefährdungsbetrieb: "Es gibt keine Behörde, mit der wir nicht zu tun hatten", sagt Skusa.

Das Gelände war 1938 mit Ausnahme der Jet-Tanks vom Hitler-Regime angelegt worden, damals als Schokoladenfabrik, wie Skusa erzählt. Freilich wurde hier niemals Kakao verarbeitet, sondern gezielt der Krieg vorbereitet: Die Stahl-Tanks, zum Schutz tief ins Erdreich eingegraben, entsprechen militärischem Standard. Skusa schätzt die Haltbarkeit auf 450 Jahre. "Es ist bombensicher", versichert Katerina Radostova. Die Rechtsanwältin hat einst als Strafrichterin gearbeitet, bevor sie sich mit einer Kanzlei selbständig machte. Das Spezialgebiet der ehemaligen Leistungssportlerin: Sportrecht. Inzwischen habe sie mit dem Ölgeschäft aber eine neue Leidenschaft gefunden, sagt sie; die Kanzlei mit einer Dependance in Sankt Moritz ist nurmehr "Hobby". In diesen Tagen laufen strategische Verhandlungen mit künftigen Geschäftspartnern. "Es gibt nicht viele große Tanklager im Süden Deutschlands", weiß Skusa. Mehr möchte er zu den Interessenten nicht sagen. Lediglich dass es sich um große Mineralölkonzerne handelt.

Der Dornröschenschlaf des Geländes, das in den Händen der Wehrmacht, der Nato und verschiedener Tanklagerbetreiber lag, scheint nun vorüber. "Wir haben nichts zu verstecken", sagt Radostova.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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