SZ-Serie: Wege des Herrn, Folge 9:Ein offenes Haus

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Sabine und Martin Glaab aus Machtlfing beherbergen Pilger kostenfrei im Gästezimmer. Sie tun das aus Überzeugung, weil Gastfreundschaft zu ihrem Leben gehört. Ausgangspunkt der Etappe nach Andechs ist das Kloster Schäftlarn.

Von Astrid Becker

Eines Tages steht eine durchnässte Frau vor der Haustür. Sie will wissen, wo sie auf die Schnelle eine Unterkunft finden könne. Denn bei diesem Wetter wolle sie nicht weitermarschieren. Die Frau, die ihr die Tür geöffnet hat, bietet ihr spontan das Gästezimmer an. Eine wegweisende Erfahrung, wie sich zeigen sollte. Denn die Herbergsmutter ist Sabine Glaab, ihr Mann Martin Glaab, seinerseits als Pressesprecher des Klosters Andechs bekannt. Die Tatsache allerdings, dass er und seine Frau seit diesem Erlebnis Pilger ganz privat bei sich aufnehmen, hat mit seinem Beruf nichts zu tun.

Am Ziel lohnt eine Übernachtung bei Sabine und Martin Glaab. (Foto: Georgine Treybal)

Er und seine Frau sind in diesem Punkt eher Überzeugungstäter. Denn für sie gehört die Sache mit der Beherbergung fremder Menschen gewissermaßen zu ihrem christlichen Lebensweg - in dem Gastfreundlichkeit eine ebenso große Rolle spielt wie in der orientalischen Welt Israels, die eng mit der persönlichen Geschichte des Paares verknüpft ist.

Neulich Abend in Machtlfing, einem kleinen Ort nahe des Ammersees, der längst zur Gemeinde Andechs gehört. Seit etwa zehn Jahren leben die Glaabs hier schon in einem Doppelhaus. Bemerkenswert ist daran, dass sie es mit einst Fremden errichtet haben, die sie mittlerweile als beste Freunde bezeichnen. Einen Gartenzaun gibt es daher nicht, dafür viele Blumen und ein paar Hasen, die die Glaabs füttern, wenn ihre Nachbarn nicht zuhause sind. Offen wirkt das Ganze. Und diese Offenheit gehört hier auch zum Programm. "Ich wollte nie selbst bauen, ich bin eine Nomadin", sagt Sabine Glaab. Aber in Machtlfing fühlt sie sich wohl. Auch weil sie mit ihrem Mann von Anfang an den Gedanken eines offenen Hauses pflegte. In Israel, wo sie zwei Jahre als Physiotherapeutin in einem Inklusionsprojekt der gemeinnützigen Nichtregierungsorganisation "Lifegate" gearbeitet hat, und wo auch Martin Glaab seinen Zivildienst absolvierte, haben beide dieses Prinzip kennen- und schätzen gelernt. Über ihre Erfahrungen in diesem Projekt, über ihre Zeit in Israel haben sie später auch ihre Liebe zueinander entdeckt.

Gastfreundlichkeit ist für sie, die beide gläubige Christen sind, aber ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Als Glaab, beruflich bedingt, vom Münchner Jakobsweg hört und wie ihn das Münchner Ehepaar Monika und Reinhold Hanna im Jahr 2003 als deutschen Teil des berühmten Pilgerwegs in das spanische Santiago di Compostela rekonstruierten, ist er beeindruckt. Aus gutem Grund. Die Hannas kommen eigentlich aus der IT-Branche und haben erst spät das Pilgern für sich entdeckt. Zunächst war es ihnen nicht um Spiritualität oder Glauben gegangen, ist in vielen Berichten über sie zu lesen. Den Weg zu sich selbst oder gar zu einem Schöpfer fanden sie erst auf der Wanderschaft. Viele Bücher über die einzelnen Etappen in Deutschland und Europa haben sie seither darüber geschrieben. "Auf der Website habe ich dann die Liste mit den Unterkünften gesehen", erzählt Glaab. "Und irgendwann haben wir uns dann dort listen lassen." Weil sie ja das Prinzip des offenen Hauses leben, aber auch, weil ihre Doppelhaushälfte auf der von den Hannas so definierten zweiten Tagesetappe auf der Pilgerstrecke von München nach Bregenz liegt.

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(Foto: N/A)

Eine Etappe des "Münchner Jakobswegs" beginnt beim Kloster Schäftlarn mit seinem sehenswerten Prälatengarten...

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...und der spätbarocken Klosterkirche.

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Entlang des Pilgerweges gelangt man auch zu der Waldkapelle Neufahrn, in der eine wunderschöne Madonna steht.

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(Foto: Georgine Treybal)

Weiter geht es dann durch die wildromantische Maisinger Schlucht,...

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(Foto: Georgine Treybal)

...bis man letztlich am Ziel ankommt,...

...dem Kloster Andechs. Fotos: Astrid Becker (2), Franz Xaver Fuchs, Georgine Treybal (3)

Wer in Machtlfing bei den Glaabs ankommt, hat das Ziel dieser Etappe, das Kloster Andechs, fast erreicht. Ausgangspunkt dieser Teilstrecke ist ein anderes Kloster, das in Schäftlarn. Dort lohnt sich nicht nur der Blick in die spätbarocke Klosterkirche, wo man auch einen Pilgerstempel vorfindet, sondern auch ein Rundgang durch den Prälatengarten - der um diese Jahreszeit besondere Pracht entfaltet. Eines ist dort am Eingang auch gleich zu erfahren: Ein Schild weist darauf hin, dass Pilger im Kloster keine Übernachtungsmöglichkeiten vorfinden, einige Pensionen, Hotels und Privatunterkünfte sind aber gelistet. Etwa hundert Meter von der Klosterkirche, auf der Straße nach Hohenschäftlarn, zweigt links ein Weg nach Ebenhausen hinauf. Ein beschwerliches Stück sind die ersten Meter dieses Pilgerwegs, denn es sind viele Stufen zu überwinden, die den Isarsteilhang hinaufführen. Es dauert zwar nicht sehr lange, bis man oben ankommt, ins Schwitzen kann man dennoch geraten. Untrainierten Wanderern, so empfiehlt es auch Glaab, sei es nicht zu empfehlen, den insgesamt etwa 27 Kilometer langen Weg nach Andechs in einem Tag zu machen, sondern lieber eine Übernachtung einzukalkulieren.

Von Ebenhausen geht es in Richtung Zell, vorbei an Bauernhäusern und der Friedhofskirche St. Michael, die gut erhaltene Fresken aus dem 15. Jahrhundert birgt - aber nicht immer geöffnet ist. Dafür lohnt sich ein Blick auf eine kleine Kapelle am Wegesrand in der Nähe der Autobahn, wenn es Richtung Neufahrn geht, in der eine wunderschöne Madonna steht. Weiter geht es Richtung Harkirchen, einem Weiler mit nur wenigen Häusern inmitten einer hügeligen Landschaft. Hinter dem Örtchen gibt es zwei Möglichkeiten: Richtung Aufkirchen weiterzugehen und über Berg nebst Besichtigung der König Ludwig II.-Gedenkstätte im Schlosspark und Schifferlfahrt von Leoni nach Possenhofen/Pöcking weiter zu gelangen, oder abzubiegen in Richtung Manthal. Das ist der Hauptzweig der Route, die einen entscheidenden Vorteil für müde Wanderer hat: Im dortigen Biergarten lässt sich vortrefflich rasten. Zudem führt hier die wahrscheinlich kürzere Route direkt an den Starnberger See, wo es sich am Ufer entlang in die Kreisstadt und in Richtung Söcking wandert. Durch die wildromantische Maisinger Schlucht geht es weiter nach Aschering, wo der Blick bei guter Sicht auf die Alpen fällt. Von Aschering gelangt man theoretisch direkt weiter, vorbei am Gefängnis Rothenfeld, nach Andechs und hinauf auf den Heiligen Berg, zur Klosterkirche und dann ins Bräustüberl, das wegen der Andechser Biere und seiner Schweinshaxen weit über Bayerns Grenzen hinaus bekannt ist. Das Kloster selbst bietet Übernachtungsmöglichkeiten für Pilger nach vorheriger Anmeldung an. 15 Euro kostet dort die Nacht auf einem Matratzenlager nebst Frühstück.

Bekannt und beliebt: die Schweinshaxen des Kloster Andechs. (Foto: Georgine Treybal)

Oder aber man meldet sich zuvor bei den Glaabs an und zweigt bereits in Aschering Richtung Machtlfing ab. Der etwa drei Kilometer lange Weg zieht sich auf und ab durch eine recht liebliche Landschaft und schöne Wälder und führt, sofern man den richtigen wählt, direkt zum Haus der Herbergsleute. "Wer bei uns ankommt, hat meist keine großen Bedürfnisse mehr, außer einer Dusche und einem Bett." Natürlich gebe es auch ein Abendbrot, sofern die Gäste das wünschen. Für einen oder zwei mehr aufzutischen, das spiele ja keine Rolle, meint Sabine Glaab. Wer aber einfach nur müde ist: auch kein Problem. Die Glaabs wollen niemanden bedrängen. Ohne Frühstück allerdings lassen sie ihre pilgernden Gäste nicht aufbrechen. Geld verlangen sie übrigens keines. Allenfalls freuen sie sich über eine Spende für das "Lifegate"-Projekt in Israel, dort, wo alles seinen Anfang nahm.

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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