Straßenstreit in Dießen:Schlaflose Nächte in der Wolfsgasse

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Im Streit um den Ausbau der Dießener Anliegerstraße gibt es immer noch keine Einigung. Bürgermeister Kirsch fühlt sich diffamiert, seine Nachbarn sind erzürnt, dass der Rathauschef nicht zur Kasse gebeten wird

Von Christian Deussing, Dießen

Seit dem erbitterten Streit um den geplanten und für Anlieger teuren Ausbau der Wolfsgasse in Dießen hat Bürgermeister Herbert Kirsch offenbar schlaflose Nächte. Er fühle sich verleumdet und diffamiert, weil ihm vorgeworfen wird, als Anwohner für die Sanierung der nur 270 Meter langen, dörflichen Straße keinen Cent zu zahlen. Der Rathauschef wohnt am unteren Ende der Wolfsgasse, das Areal liegt noch knapp im Außenbereich. Deshalb muss Kirsch gemäß Straßenausbausatzung keinen Beitrag leisten - auch wenn er die Wolfsgasse als einzige Zufahrt zu seinem etwa 5000 Quadratmeter großen Grundstück nutzt.

Ohnehin wundern sich die betroffenen Anlieger, warum der Bürgermeister als "nicht privilegierter Landwirt" vor Jahren einen kleinen Bungalow in eine herrschaftliche Villa umwandeln und später auch noch eine Dreifachgarage errichten lassen durfte, die sich sogar teilweise in einem Biotop am Tiefenbach befindet.

Er habe für alles Baugenehmigungen erhalten, auch gehe es hier um seine "private Angelegenheit", sagte Kirsch am Dienstag auf Anfrage der SZ. Er äußerte sich empört über Anschuldigungen und "widerliche anonyme Schreiben". Mittlerweile seien sogar Drohnen über sein Grundstück geflogen und hätten "wohl alles abfotografiert". Dabei habe er "nichts zu verbergen und nichts Unrechtes getan", so der Rathauschef. Er wehrt sich auch gegen Gerüchte in der Marktgemeinde, die Voreigentümerin habe keine Ausbaugenehmigungen erhalten. Das stimme nicht, er hätte sogar eine Tiefgarage bauen dürfen, denn das Landratsamt Landsberg habe ein solches unterirdisches Bauwerk 1985 per Vorbescheid genehmigt. Die Familie Kirsch hatte ein Jahr später das weithin sichtbare Anwesen am Tiefenbach erworben und 1998 den kleinen Bungalow zur Villa ausgebaut.

Das imposante Anwesen von Dießens Bürgermeister Herbert Kirsch im Außenbereich hat den Argwohn geweckt. (Foto: Nila Thiel)

Die Regelungen für eine "angemessene Erweiterung" auf dem Grundstück im Außenbereich seien eingehalten und das Areal überprüft worden, betonte auf Anfrage Viktor Klaus, Abteilungsleiter für Baurecht und Umweltschutz im Landratsamt Landsberg. Das Anwesen sei zwar "massiv, aber kein Palast". Auch gegen die Einzäunung mit Betonsäulen gebe es "keine rechtlichen Bedenken"; sie verstoße zudem nicht gegen gemeindliche Vorgaben, erläuterte der Regierungsdirektor. Zugleich betonte er, dass keinesfalls mit zweierlei Maß gemessen werde - auch nicht, wenn ein Bürgermeister die Bauanträge stellt.

Kirsch hatte den Anwohnern nach seinen eigenen Angaben im September 2015 ein Angebot gemacht: Demnach wollte er für die 20 Meter, die an sein Grundstück in der Wolfsgasse grenzen, "freiwillig" einen Kostenbeitrag leisten. Nach den "Verleumdungen" und dem Vorwurf, er wolle sich damit "nur freikaufen", habe er die Offerte aber damals zurückgezogen. Erst vor Kurzem habe er sich erneut mit dem Angebot an die "Interessengemeinschaft Wolfsgasse" gewandt, doch bisher keine Reaktion erhalten, so Kirsch. Der Dießener Bürgermeister stellt zudem klar, dass er eine gerichtliche Entscheidung akzeptieren werde, wenn die Anlieger erfolgreich gegen die Kostenbescheide klagen sollten.

Das Areal befindet sich am unteren Ende der Wolfsgasse, am Winkelsteg. (Foto: Nila Thiel)

Doch zuvor soll nach dem Beschluss des Dießener Gemeinderats die Wolfsgasse ausgebaut und saniert werden. Die ersten Bagger rollen voraussichtlich noch im April an. Es sei denn, der Interessengemeinschaft gelingt es im zweiten Anlauf, den Ausbau der Anwohnerstraße im Ortsteil St. Georgen mit einem Bürgerbegehren zu stoppen. Der erste Versuch war vor kurzem wegen einer offenbar unklaren Fragestellung von der Kreisbehörde als unzulässig bewertet worden. Die Anlieger sind bei den Erschließungskosten mit 90 Prozent dabei. Sie müssen zwischen 8000 und 67 000 Euro netto bezahlen. Nach der Ausschreibung der Arbeiten erhöhte die Marktgemeinde die Beiträge sogar noch um etwa fünf Prozent pro Anlieger. Auch die neuen Zahlen will die Interessengemeinschaft prüfen. Die Bürger machen mit Protesttafeln in dem Wohnviertel darauf aufmerksam, dass der Bürgermeister als "einziger die ganze Länge der Straße" benutze, ohne dafür zahlen zu müssen. Die Nachbarn von Kirsch erinnern außerdem daran, dass der Rathauschef ihr Sträßchen seinerzeit für den Baustellenverkehr zu seinem Villen-Projekt genutzt habe.

© SZ vom 06.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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