Straßenbau:Umstrittene Schonung

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Bürgermeisterin Eva John soll ihren vor der Wahl verkündeten Beschluss zurücknehmen, Anlieger beim Bau von Straßen nicht mehr zur Kasse zu bitten. Das verlangt das Landratsamt und beruft sich auf die Rechtslage

Von Peter Haacke, Starnberg

Eine der umstrittensten Regelungen Bayerns ist die Ausbaubeitragssatzung: Wo immer eine Straße gebaut oder ausgebessert wird, Wege, Plätze, Parkplätze oder Grünanlagen entstehen, können die Anlieger zur Kasse gebeten werden. Ein Umstand, der vielen Bürgern landesweit die Zornesröte ins Gesicht treibt. In der Stadt Starnberg sollte es nach Willen von Bürgermeisterin Eva John vom 1. April an damit aber vorbei sein: Wenige Wochen vor den Stadtratsneuwahlen verkündete sie - ohne Rückendeckung des nicht existenten Stadtrats -, dass man fortan wie in der Landeshauptstadt München auf die ungeliebte Beitragssatzung verzichten werde. Doch ganz so problemlos, wie John sich das vorgestellt hat, wird es voraussichtlich nicht funktionieren: Die kommunale Rechtsaufsicht am Landratsamt beabsichtigt, den einsam gefällten Beschluss der Starnberger Bürgermeisterin zu beanstanden und dessen Aufhebung zu verlangen. Nach "derzeitigem Kenntnisstand deutet alles darauf hin, dass der Beschluss vom 12. März rechtswidrig ist", sagt Behördensprecher Stefan Diebl.

Das komplexe Thema Kommunalabgabengesetz beschäftigt nicht allein die Starnberger, sondern viele bayerische Kommunen. Stetig wächst die Kritik an der Beteiligung der Bürger, die bis zu fünfstellige Summen zahlen sollen, wenn etwa eine Straße saniert oder ein Kanal ausgebaut wird. Oft genug beklagen Betroffene Ungleichbehandlung, zuweilen fühlen sie sich abgezockt. Nur Pöcking und Krailling verzichteten als einzige Landkreisgemeinden aufgrund ihrer guten finanziellen Situation auf Ausbaubeiträge. In Andechs dagegen wehren sich die Anlieger, Gehsteige mit zu finanzieren, in Gilching und Herrsching gab es anhaltende Auseinandersetzungen, in Berg wird noch diskutiert.

Der bayerische Landtag will sich im Sommer damit befassen, geplant ist eine Expertenanhörung. Doch entscheidend aus Sicht der Rechtsaufsicht ist die aktuelle Rechtslage, und eine Anfrage vom 21. April im bayerischen Innenministerium bestätigte: "Der Vollzug des Kommunalabgabengesetzes hat ungeachtet dessen bis zu einer Entscheidung des Parlaments in gewohnter Weise zu erfolgen, da noch gar nicht absehbar ist, ob und gegebenenfalls welche Änderungen der Gesetzgeber vorzunehmen gedenkt. Hinzu kommt, dass die Exekutive schon aufgrund des in der Verfassung verankerten Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht dazu befugt ist, ein vom Parlament beschlossenes Gesetz einfach "außer Vollzug" zu setzen." Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Erhebungspflicht für Straßenausbaubeiträge nicht ersatzlos gestrichen, sondern lediglich nach rheinland-pfälzischem Vorbild um Optionen der Gemeinden ergänzt werden soll. Denkbar wäre etwa ein Anspar- oder Umlagemodell in Form von wiederkehrenden Teilbeträgen anstelle von Einmalzahlungen. Auch der Bayerische Städtetag hat sich gegen eine ersatzlose Abschaffung ausgesprochen.

Nach Auffassung der Rechtsaufsicht handelt eine Gemeinde somit "rechtswidrig, wenn sie ihre Straßenausbaubeitragssatzung ersatzlos aufhebt", ohne dass der atypische Fall einer "herausragenden Finanzlage" vorliegt. Und davon kann in Starnberg nicht die Rede sein: Zwar beruft sich die Kreisstadt auf eine "anhaltend solide finanzielle Lage", so dass man auf die etwa 50 000 Euro Gewinn pro Jahr aus der Ausbausatzung verzichten könne. Doch aus dem Haushaltsentwurf 2015 und die Finanzplanung 2016 bis 2018 geht hervor, dass Starnbergs Schuldenstand bis 2018 auf 22,56 Millionen Euro steigen wird und die Rücklagen schwinden - auch durch die Sanierung des Wasserparks und den Bau der Westumfahrung. Die Pro-Kopf-Verschuldung Starnbergs wird von aktuell 753 auf 995 Euro im Jahr 2018 steigen; der Landesdurchschnitt beträgt 667 Euro.

Einen Monat hat die Stadt nun Zeit für eine Stellungnahme, gefordert sind konkrete Zahlen: Jährliche Einnahmen und Ausgaben aus Straßenausbaubeiträgen sollen belegt werden. Kurz nach Bekanntwerden hatte es massive Kritik an Starnbergs Entscheidung gegeben: Die Ausbaubeitragssatzung war Thema der Bürgermeisterdienstbesprechung, CSU-Ortschef Stefan Frey bezeichnete die Aufhebung der Satzung als "Rohrkrepierer" und "Wahlgeschenk". John indes teilt die Auffassung der Rechtsaufsicht nicht: Sie will das strittige Thema im Juni dem neuen Stadtrat zur Diskussion vorlegen.

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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