Flüchtlinge in Stockdorf:Auf gutem Weg

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Die pensionierte Grundschullehrerin Jutta Jecht (2. von links) weiß, wie sie das Deutschlernen spannend macht. (Foto: bla/Ulfers)

Die Flüchtlinge, die im Stockdorfer Forsthaus untergekommen sind, haben Glück gehabt: Es gibt Deutsch-Unterricht, jede Familie hat einen Paten, und die Kinder haben genug Platz zum Spielen

Von Blanche Mamer, Stockdorf

Hourida freut sich. Mit leuchtenden Augen erzählt sie, dass die Klasslehrerin ihr am Vormittag mitgeeilt habe, dass sie im Herbst in die neunte Klasse vorrücken dürfe. Jetzt will sie sich die Bücher der achten Klasse für Mathe und Deutsch besorgen und sich vorbereiten. Hourida ist 15 Jahre alt und lebt seit vier Monaten mit ihren Eltern und vier Geschwistern in der Flüchtlingsunterkunft in Stockdorf. Sie geht in die Übergangsklasse der Gautinger Mittelschule und ist so fleißig, dass sie in die ihrem Alter entsprechende Klasse wechseln kann. Sie ist darüber so glücklich, dass sie Jutta Jecht umarmt, die immer mit ihr übt und den Helferkreis für das Stockdorfer Forsthaus organisiert.

Hier leben seit November neun afghanische Familien - zusammen 45 Menschen, davon 27 Kinder. "Die Scheu der ersten Wochen ist einem vertrauensvollen Miteinander gewichen", sagt Jecht. Die Familien treffen sich beim Tee, tauschen sich aus und unterstützen sich beim Einkaufen. Das wird oft von den Familienvätern übernommen, sie fahren in ein afghanisches Lebensmittelgeschäft in München und kaufen dort ein.

Die Flüchtlinge hatten Glück mit der Unterkunft, ein großes Haus in einem großen Garten. Je nach Kinderzahl hat jede Familie zwei oder drei Zimmer. Zu zweit oder zu dritt teilen sie sich eine geräumige Küche. Die Diele auf jedem Stockwerk ist groß genug für gemeinsamen Deutschunterricht und Besprechungen. Die Kinder haben Platz zum Spielen und gehen begeistert zur Schule. Selbst die Kleinen, für die es keinen Kindergartenplatz gibt, lernen mit den Müttern mit, wenn diese nach ihren Deutschkursen an der Volkshochschule Starnberg gemeinsam ihre Hausaufgaben erledigen. Zum Beispiel kann die fünfjährige Nasami alle Gegenstände benennen, die die ehrenamtliche Deutschlehrerin den größeren Kindern zeigt.

Mama ist in der Schule, Papa hat gekocht, erzählt Wahide, 10, die in die nahe Grundschule Stockdorf geht. "Erst meinten die Frauen, sie könnten doch keine Kurse über Mittag besuchen. Da müssten sie doch kochen. Ich meinte, vielleicht können das die Männer übernehmen. Und das klappt jetzt ganz gut", erzählt Jecht. Was bedeutet, dass die Ehrenamtlichen ein Vorurteil im Kopf streichen mussten. Auch die Reinigung der Flure, die Beseitigung des Mülls und vor allem die schwierige Mülltrennung haben die Bewohner gut organisiert und erledigen sie selbständig.

Die Schulkinder haben Kontakt zu einheimischen Kindern gefunden, berichtet Jecht. Nasrullah, Houridas 13-jähriger Bruder, wartet ungeduldig auf seinen Freund, mit dem er Fußball spielen will. Die Kinder lernen schnell, unterhalten sich untereinander jedoch in ihrer gemeinsamen Muttersprache, Dari. "Sie sprechen alle Dari, nur ein paar konnten einige Brocken Englisch. Wir verständigten uns anfangs mit Händen und Füßen, zeigten Gegenstände und Bilder", sagt Jecht. Es kamen allerdings auch Dolmetscher ins Haus. Alle Bewohner kommen regelmäßig und pünktlich zum Deutschunterricht, sind sehr wissbegierig. Man könne sich sogar schon unterhalten, vorausgesetzt man spreche langsam und deutlich und mit entsprechender Gestik, sagt Jecht.

Mehr als 30 Helfer teilen sich die Aufgaben, einige geben Deutschunterricht, andere begleiten zu Ärzten und Ämtern, betreuen die Kinder, während die Eltern Deutsch lernen, reparieren Fahrräder, hängen Vorhänge auf und basteln und handarbeiten mit den Frauen. Und versuchen herauszufinden, welche Berufe sich für die Migranten eignen könnten. Jede Familie hat mittlerweile einen Paten. Diese pflegen den regelmäßigen Kontakt und erfahren meist gleich, wo der Schuh drückt und wo Hilfe benötigt wird. "Wenn eine persönliche Beziehung hergestellt ist, trauen sich die Menschen, von ihren Problemen und Ängsten zu erzählen. Es ist unglaublich, was sie durchgemacht haben und wie das Erlebte in ihnen weiterarbeitet", sagt Jecht.

Es sei erfreulich zu erkennen, wie sie mehr und mehr Interesse am Leben der Helfer entwickeln. "Sie stellen immer mehr Fragen, das freut mich." Während sie berichtet, kommt einer der Väter mit einem Tablett mit Tee, Keksen und afghanischen Süßigkeiten. Die positive Entwicklung wird nur dadurch überschattet, dass die Zukunft so ungewiss ist.

Demnächst werden weitere 30 Flüchtlinge nach Stockdorf kommen. Dafür werden wieder Helfer gebraucht. "Ich hoffe, dass weitere Bürger bereit sind, sich zu engagieren und sich um die Neuankömmlinge zu kümmern. Gründlich informieren können sie sich bei unserem nächsten Asylhelfer-Treffen im evangelischen Gemeindehaus, Peter-Dörfler-Straße 14, Donnerstag, 17. März, um 17 Uhr", sagt die Organisatorin.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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