Stegen:Tierische Untermieter

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Auf dem Gelände der Alten Brauerei in Stegen leben ein Hermelin und ein Waschbär

Von Armin Greune, Stegen

Im März 1993 wechselte die Alte Brauerei Stegen den Eigentümer. Paul Schneider erwarb das imposante Anwesen, das als nicht sanierungsfähig galt und eigentlich zum Abriss vorgesehen war. 22 Jahre später steht das längst renovierte Gebäude immer noch, Schneider hat eigenen Angaben zufolge dafür viele Widerstände überwunden und elf Millionen Euro investiert. Mit dem Voreigentümer Theo Steinle bestehe seit Beginn "eine intensive Nachbarschaft", sagt Schneider: Er meine das "durchaus positiv".

Anders ist auch gar nicht zu erklären, dass Steinle es fast ein Vierteljahrhundert lang duldete, dass Schneider seine Äste und Bruchholz einfach über den imaginären Zaun warf. Dabei stimmen "einfach" und "werfen" nicht wirklich, denn der Naturfreund schichtete jenseits seiner Grundstücksgrenze die vom Sturm geknickten oder gefällten Kastanien und anderes Holz aus dem ehemaligen Biergarten an der Südseite der Brauerei sorgsam auf. Schneider wollte so möglichst vielen tierischen Bewohnern einen Unterschlupf bieten.

In den 22 Jahren ist so eine 18 Meter lange, zwei Meter hohe und fast ebenso breite Barriere entstanden - vollständig in des Nachbars "Garten", versteht sich. Für Steinle war das solange kein Problem, wie er keine Verwendung für sein Grundstück hatte. Doch nun soll das Gelände am früheren Bierkeller zur Pferdekoppel werden und bei der Kulturvierung ist ihm die künstliche Hecke im Weg. Als Schneider davon erfuhr, machte er sich beim Eigentümer für die inzwischen eingezogenen Untermieter stark: Vor allem ein Hermelin hatte sein Herz gewonnen, das seit fünf oder sechs Jahren im Altholz haust. Steinle blieb erstmal misstrauisch: "Erzählen Sie mir keine Märchen" soll er laut Schneider gesagt haben. Das ließ der gelernte Rechtsanwalt nicht auf sich sitzen und ging schnurstracks zu einem befreundeten Juristen, um dort eine eidesstattliche Versicherung zur Existenz dieses Wiesels abzulegen. Von dieser Beweisführung war schließlich auch Steinle beeindruckt: Jetzt darf die Hälfte des Holzhaufens stehenbleiben, in der das Hermelin seine Schlupflöcher hat.

Schneiders Hauptinteresse hat sich inzwischen einem neuen tierischen Mitbewohner zugewandt: Seit sechs Wochen lebt einer der wenigen Waschbären des Landkreises bei der Alten Brauerei. Diesmal ist Schneider selbst als Eigentümer betroffen: Der ursprünglich aus Nordamerika stammende Zuwanderer hat es sich im Dach eines vormaligen Zirkuswagens gemütlich gemacht, der neben der Brauerei aufgestellt ist. Dass der Waschbär mit seinem Domizil pfleglich umgeht, darf der Vermieter nicht erwarten: Er lebt gesellig. Die nachtaktiven Rabauken haben in deutschen Dachböden schon Schäden von mehreren tausend Euro angerichtet. Noch mehr dürfte die reichhaltige Vogelwelt in Stegen unter den als notorische Nesträuber verschrienen Waschbären leiden. Die alte Brauerei weist nicht nur eine große Dohlenkolonie auf, ihre Umgebung dient auch Turmfalken, Buntspechten, Wacholderdrosseln und Zaunkönigen als Lebensraum.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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