Starnberger See:15 Minuten mit dem Tod gerungen

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Abschuss von Kanadagänsen stößt erneut auf harsche Kritik

Ein Schuss zerreißt am frühen Morgen die Stille am Ufer des Starnberger Sees, vor den Augen einiger Spaziergänger spielt sich in Tutzing ein trauriges Szenario ab. Im Visier: die Kanadagans. Ein Vogel soll beim Kinderspielplatz an der Brahmspromenade verendet sein, ein zweiter noch gut 15 Minuten lang mit dem Tod gerungen haben - nach Augenzeugenberichten bot sich am Freitagmorgen gegen 8.30 Uhr ein erschreckendes Bild, das erneut heftigste Debatten zur Folge haben dürfte. Denn der Abschuss von bestimmten Wasservögeln, der sich alle Jahre wiederholt, ist wieder erlaubt. Die Jagdsaison ist eröffnet, nachdem das Landwirtschaftsministerium vor wenigen Tagen den Abschuss von Kanada-, Grau- und sogar Nilgänsen vom 1. August an genehmigt hatte.

Günther Schorn, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, jedenfalls hat gegen den seiner Ansicht nach unsinnigen Abschuss in Tutzing bereits protestiert. Er verlangt die sofortige Rückkehr zur Schonzeit der Vögel bis 1. November. "Was am Freitagvormittag in Tutzing gezeigt wurde, ist kein Gänsemanagement, sondern brutale Zurschaustellung von Macht", kritisiert Schorn, "Mensch gegen Tier - wer ist der Stärkere." Und er erinnert an eine Abschussaktion 2010 im Garatshauser Freibad, als in nur 15 Metern Entfernung zu badenden Kindern Gänse beschossen wurden.

Auch Tutzings Bürgermeister ist alles andere als erfreut über den Vorfall: Der Abschuss der Kanadagans am Freitag sei "schlecht für die Gemeinde und schlecht für den Tourismus", sagte Rudolf Krug. "Unschön und überflüssig." Es hätten ihn bereits diverse E-Mails empörter Bürger erreicht, die ein sofortiges Ende der Bejagung fordern. In Tutzing habe man Netze gespannt, berichtet Krug, damit bestimmte Bereiche frei von Gänsekot bleiben und Badegäste nicht belästigt werden. Ohnehin zähle man in Tutzing lediglich bestenfalls 40 Tiere. Unter diesen Vorzeichen sei die Gänsejagd "eine Provokation", sagt Krug - und hat, nachdem er explizit keine Genehmigung für den Beschuss auf Tutzinger Flur erteilt hat, das Landratsamt in Starnberg informiert. Unklar ist derzeit, ob er die "Verletzung der Friedenspflicht" auch zur Anzeige bringen wird.

Jagdpächter Hermann Bayrle ("Ich bin der böse Jäger") sieht die Angelegenheit anders: Für ihn zählt als Jagdgebiet - abgesehen von den ausgewiesenen Ruhezonen - allein die Gemarkungsgrenze rund um den gesamten Starnberger See. Insofern sei der Abschuss nur einer Gans in Nähe der Tutzinger Brahmspromenade auch rechtens gewesen. Bayrle und seine sieben Jägerkollegen wollen in den kommenden Wochen insbesondere den Bestand der Kanadagans dezimieren - ein eingewanderter Fremdvogel, der gar nicht heimisch sei in Oberbayern. Aber auch die weitaus häufiger vorkommenden Graugänse könnte es treffen. Im Vorjahr habe man kaum geschossen, sagt Bayrle, lediglich elf Abschüsse wurden gemeldet. Nun aber nehme der Bestand wieder überhand. "Mit Augenmaß" wolle man daher rechtzeitig eingreifen. Neun Vögel hat Bayrle nach eigenen Angaben seit 1. August bereits geschossen - darunter eine siebenköpfige Gänsefamilie am Strandbad Feldafing -, gut drei Dutzend Abschüsse sind dieses Jahr die vorläufige Zielmarke. Es gehe nicht darum, die Kanadagans auszurotten. Bayrle: "Wir halten die Population konstant in einem verträglichen Bereich."

© SZ vom 04.08.2014 / phaa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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