Starnberg:Stadt der Nörgler

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In Starnberg gehört es zum guten Ton, vieles schlecht zu finden. Das spiegeln auch die Stadtratsdebatten wider. Oft geht es dabei ums Rechthaben und darum, den politischen Gegner vorzuführen. Bürgermeister Pfaffinger ist es nicht gelungen, das Gremium zu einen.

Von Sabine Bader

Es ist eine Hassliebe, die viele Starnberger mit ihrer Stadt verbindet. Geschimpft wird praktisch über alles - über die Bauten und Plätze, den vielen Verkehr, den Stadtrat und über den Stillstand in der örtlichen Politik. Aber trotz des vernichtenden Urteils zieht kaum jemand weg von hier. Im Gegenteil, viele wollen kommen. In Starnberg, und das gehört auch zu den Besonderheiten dieser Stadt, gehört das Nörgeln einfach zum guten Ton. Es ist so salonfähig, dass es schon als Liebesbeweis durchgeht. Eine rustikale Gefühlsduselei ist das, die natürlich nur der Starnberger wirklich verstehen kann. Genau wie die Politik in der Stadt. Auch sie kann nur der Starnberger verstehen.

Außenstehende greifen sich an den Kopf, wenn sie in eine Stadtratssitzung geraten und miterleben, mit welcher Vehemenz und Verbissenheit hier über den "richtigen" Weg gerungen wird. Produktiv, also zum Wohl der Bürger, sind die Streits im Starnberger Stadtrat in den seltensten Fällen. Es geht viel zu sehr um Klientelpolitik, ums Rechthaben und darum, den politischen Gegner schlecht ausschauen zu lassen. Und es geht viel zu wenig um die Suche nach Lösungen, nach Kompromissen.

Das ist mit ein Grund dafür, dass am Ratstisch mittlerweile acht Gruppierungen sitzen, die meist in festgezurrten Allianzen abstimmen - nach dem Schema: CSU, SPD, Grüne und UWG gegen den Rest der Welt - bestehend aus Tunnelgegnern aller Couleur und FDP. Die Frage, ob nun ein Tunnel oder eine Umfahrung der richtige Weg zur Verkehrsentlastung in der Stadt ist, spaltet nicht nur die Bevölkerung, sie spaltet auch den Stadtrat in einer Weise, dass kaum Versöhnung möglich zu sein scheint und macht ihn oft genug auch in anderen Fragen zu einer "Lame Duck", einer lahmen Ente.

In den zwölft Jahren seiner Amtszeit ist es Bürgermeister Ferdinand Pfaffinger - er zog als Tunnelgegner ins Rathaus ein und kämpft heute für das Projekt - nicht gelungen, das Gremium zu einen. Im Gegenteil, die Gräben sind heute tiefer denn je, und der Umgangston in den Debatten erreicht nicht selten das Niveau eines Gelages von Fuhrknechten. Das ist nicht unbedingt Pfaffingers Schuld. Nie gab es in der Kreisstadt so viel Bürgerbeteiligung und Gesprächsforen wie unter seiner Ägide. Doch gedankt hat man es ihm kaum - weder die Bürger noch die Stadtratskollegen. Auf beiden Seiten fühlte man sich zu wenig einbezogen auch wenn es dafür keinen messbaren Grund gab. Die Unzufriedenheit blieb, und Pfaffingers Gegner verstanden es geschickt, sie weiter zu schüren. Die Folge: Das Klima ist denkbar schlecht.

Ob sich das ändert? Kaum. Denn schon der laufende Wahlkampf lässt darauf schließen, dass das verbale Hauen und Stechen am Ratstisch auch nach dem 16. März nahtlos weitergeht. Was jetzt Not täte, ist klar: eine Person, die von beiden Lagern als übergeordnete Instanz akzeptiert wird, als unabhängige Führungsfigur. Unter den fünf Bürgermeisterkandidaten - Ludwig Jägerhuber (CSU), Frank Hauser (SPD), Martina Neubauer (Grüne), Hans Beigel (UWG) und Eva John (BMS, WPS, BLS und FDP) - ist keiner, der sich in den strittigen Fragen nicht eindeutig positioniert hätte. John steht für alle, die sich eine Umfahrung statt eines Tunnels wünschen, auch wenn nachweislich keine staatliche Stelle die Trasse finanzieren will. Alle anderen vier Bewerber propagieren den B2-Tunnel. Obgleich auch seine Finanzierung fraglich erscheint.

Und obwohl die meisten Bürger eine Stichwahl zwischen Jägerhuber und John rechnerisch und aufgrund ihres Bekanntheitsgrads für die wahrscheinlichste Konstellation halten, wird Neubauer die größte fachliche Kompetenz zugetraut. Längst hat sich die grüne Stadträtin über alle Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen in der Stadt erworben. "Die wär' schon die Beste, auch wenn sie in der falschen Partei ist", heißt es in ihrem Fall gern mal hinter vorgehaltener Hand. Doch reicht das für die Stichwahl? Über die fachliche und politische Kompetenz der Kandidaten Beigel und Hauser lässt sich nur wenig sagen. Auch wenn Beigel für die UWG im Stadtrat sitzt, ist er vor dem Wahlkampf kaum in Erscheinung getreten. SPD-Kandidat Hauser ist nicht im Stadtrat und macht auch im Wahlkampf nur recht wenig von sich reden.

Dass es am 16. März zu einer Stichwahl kommt, scheint sicher zu sein. Wie sie ausgeht, ist ungewiss. Zu wünschen wäre der Stadt ein Neuanfang - vor allem im Umgang miteinander.

© SZ vom 06.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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