Starnberg:Homeservice für Jungfüchse

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Hochsaison in der "Pension Schelle": Das Ehepaar kümmert sich um Marderjungen, Eulen-Babys und Hasenkinder.

Armin Greune

HochstadtAnfang Mai ist bei Schelles Hochsaison: Im Wonnemonat kommen die meisten Marderjungen zur Welt, in den Eulennestern ist der Nachwuchs geschlüpft und aus den Fuchsbauten machen sich vorwitzige Welpen auf, ihre Umwelt zu erkunden. Finden hilflose Jungtiere nicht zurück in elterliche Obhut, sind sie Hungertod oder Räubern ausgeliefert - es sei denn, Manfred und Klara Schelle nehmen sie in ihrer Rehaklinik in Hochstadt auf.

Der kleine Fuchs zählt zu den Kostgängern, die Manfred Schelle in seiner Aufzucht- und Pflegestation auf ein Leben in Freiheit vorbereitet.. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Schon seit 18 Jahren bietet das Ehepaar verwaisten oder verletzten Wildtieren Unterkunft und Verpflegung. Meist ist es ein vorübergehender Aufenthalt: Wenn sie aufgepäppelt sind, entlässt sie Manfred Schelle wieder in die Natur. Er betont, dass er seine Gäste nicht bloß aussetzt, sondern auswildert: Füchse etwa siedeln mitsamt der Kiste, die sie als ihren Bau ansehen, in den Wald um und bekommen dort noch einige Wochen ihre vertraute Mahlzeit von Schelles "Homeservice" geliefert.

Im Moment sind es noch zwei Welpen, die in Hochstadt heranwachsen: Ein gerade erst am Freitag eingetroffenes Füchslein war schon zu abgemagert, um sich noch zu erholen. 260 Gramm habe es gewogen, nicht mehr als eine Ratte, sagt Schelle: "Sie treibt der Hunger viel zu früh aus dem Bau, weil die Fähe keine Milch mehr hat." Dies führt der 72-Jährige auf unsere ausgeräumte Kulturlandschaft zurück, in der Füchse kaum mehr Mäuse erbeuten können. Den Welpen hatte eine Frau aus Augsburg zu den Schelles gebracht: Nachdem Manfred Schelle vor zwei Jahren mit dem Bayerischen Tierschutzpreis ausgezeichnet wurde, hat sich sein Ruf verbreitet und der Einzugsbereich der Pension über das Fünfseenland hinaus vergrößert. Derzeit beherbergt sie noch zwei kleine Waldkäuze aus Germering, einen jungen Turmfalken aus Hohenpeißenberg und einen Steinmarder, mit dessen Pflege das Dachauer Tierheim überfordert war.

Seitdem sich Schelle ganztags der Aufzucht und Pflege widmet, sind im Häuschen und Garten in Hochstadt gut tausend Wildtiere ein- und ausgegangen: Hasen und Igel, Marder und Siebenschläfer, Fledermäuse, Sing- und Greifvögel. Nur ganz wenige wurden zu Dauergästen - wie "Ricki", ein Reh, das unter einem Wirbelsäulendefekt litt. Drei Jahre lang bekam das schwerbehinderte Tier sein Gnadenbrot bei Schelles, vor zwei Wochen verweigerte es das Futter und musste schließlich doch eingeschläfert werden. So sehr ihm "Ricki" auch ans Herz gewachsen war, bleibt Schelle doch Pragmatiker: Anstatt den Kadaver im Garten zu vergraben, wurde er an die Füchse und Raubvögel verfüttert.

© SZ vom 09.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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