Starnberg:Gipsen im Akkord

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Schwere Stürze auf zugefrorenen Seen: Kliniken im Fünfseenland verzeichnen doppelt so viele Knochenbrüche wie sonst

Patrizia Steipe

So etwas nennt man Pech: Zuerst sprang bei Steffen Oberländer der Motor seines Autos nicht mehr an; und als der Gilchinger dann das Starthilfekabel anschließen wollte, rutschte er am Parkplatz auf einer eisigen Stelle aus. Die Folge: Eine gebrochene Hand. Oberländer ist kein Einzelfall. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind übervoll. Neben Patienten mit Knochenbrüchen und Platzwunden kommen auch Menschen, denen die Kälte auf die Bronchien und den Kreislauf geschlagen ist. "Am Sonntag habe ich im Akkord gegipst", stöhnte Krankenschwester Melanie Spiller. 30 Knochenbrüche "in jeglicher Form" mussten im Seefelder Krankenhaus versorgt werden. "Das Doppelte wie sonst", sagt Spiller. 80 Prozent der Unfälle waren auf den zugefrorenen Seen der Umgebung passiert. An erster Stelle auf dem Weßlinger See, gefolgt von Pilsen- und Wörthsee. "Manche Leute sind mit anderen Schlittschuhläufern zusammengeprallt und gestürzt, andere mit glatten Schuhen auf dem Eis ausgerutscht", erzählt die Krankenschwester. "Proppenvoll" sei der Warteraum gewesen. Um die vielen Untersuchungen und Operationen zu bewältigen, sei dem diensthabenden Arzt sogar noch ein Oberarzt beigesprungen. "Das wäre sonst kaum zu schaffen gewesen", so Spiller, die bis spät in die Nacht Gipsbinden gewickelt hat.

Erste Hilfe leisten zur Zeit auch die Kräfte der Wasserwacht. Am Pilsensee gab es eine Reihe von Platzwunden, Verstauchungen und Brüche zu versorgen. Ab kommenden Wochenende wird auch die Herrschinger Wasserwacht eine Eiswache an der Wasserwachtstation in der Nähe des Gemeindestegs installieren. Im Uferbereich der Herrschinger Bucht hat sich bereits eine Eisschicht gebildet. Angesichts vieler leichtsinniger Wintersportler, die sich nicht vor dünnem Eis abschrecken lassen, "haben wir für den Ernstfall mit unserem Eisrettungsschlitten geübt", berichtet Stefan Schiller, Technischer Leiter der Wasserwacht. Mit dem Spezialschlitten können eingebrochene Personen ohne Gefährdung der Helfer rasch geborgen werden. Unter der Woche gibt es zwar keine Eiswache, aber die Wasserwacht kann über ihren Funkmeldeempfänger erreicht werden.

Auch im Klinikum Starnberg mehren sich die Kältenotfälle. Allerdings gab es hier weniger Knochenbrüche, dafür eine deutliche Zunahme an Patienten mit Bronchitis, Lungenentzündung oder Asthma. "Ältere Leute mit Immunschwäche müssen wir sogar stationär aufnehmen, um ihnen Antibiotika per Infusion zu verabreichen", berichtete der Ärztliche Leiter der Zentralen Aufnahme, Armin Schenn. Er empfiehlt bei Temperaturen unter zehn Grad minus "alles ein bisschen langsamer anzugehen". Die extreme Kälte belastet nämlich den Kreislauf. "Herzinfarkt beim Schneeschippen - solche Fälle hatten wir schon", berichtete Schenn. Auch Jogger sollten nicht übertreiben und durch die Nase atmen, um die Bronchien nicht zu strapazieren. Das Gleiche gilt für Asthmatiker, bei denen der Reiz der Eisluft bereits ausreicht, um einen Asthmaanfall zu produzieren.

© SZ vom 09.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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