Starnberg:"Es ist normal, verschieden zu sein"

Lesezeit: 2 min

Die Arge hat einen neuen Vorsitzenden: Claus Angerbauer übernimmt das Amt von Petra Veronika Seidl. (Foto: Georgine Treybal)

Petra Veronika Seidl übergibt den Vorsitz bei der Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen an Claus Angerbauer

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Die Arbeitsgemeinschaft für Behindertenfragen im Landkreis (Arge) ist fest mit dem Namen Petra Veronika Seidl verbunden. Mehr als 20 Jahre lang hat sie die Arge geleitet und neue Impulse gesetzt. Nun hat sie das Feld mit dem sehbehinderten Musiker und Weßlinger Gemeinderat Claus Angerbauer einem neuen Vorstand überlassen. "Mit Ihnen geht eine Ära zu Ende. Sie haben vieles geleistet, um Barrieren zu beseitigen", lobte Landrat Stefan Frey bei ihrer Verabschiedung. Sie habe mit viel Herzblut eine tolle ehrenamtliche Arbeit geleistet. Seidl zieht sich aber nicht komplett aus dem Gremium zurück, das 2018 in die Arbeitsgemeinschaft Inklusionsbeirat überging. Die Mitarbeiterin für Offene Behindertenarbeit bei der Caritas wird einfaches Mitglied in der Arge bleiben.

Die Arge besteht seit nunmehr 40 Jahren und Seidls Vorgängerin Ingeborg Bäss hatte das Motto vorgegeben. "Es ist normal, verschieden zu sein". Das betreffe nicht nur Menschen mit Behinderung, davon ist die Sozialpädagogin überzeugt. "Wir brauchen eine menschengerechtere Welt - das ist, was Inklusion möchte." Menschen dürften nicht in Schubladen gesteckt werden. "Das hat mich 20 Jahre lang angespornt - eine Vielfalt als Wert." Die Arge hat sich mit Veranstaltungen, wie das Spiel- und Sportfest, Tanzfeste Theateraufführungen und Aktionstage stets dafür engagiert, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur unter sich blieben, sondern auch mit Menschen ohne Behinderung zusammenkommen. Das sei in den vergangenen Jahren immer stärker gelungen, freut sich Seidl. Ein sehr großes Projekt war die Erarbeitung des Aktionsplans "Gemeinsam sind wir stärker", der gemeinsam mit Betroffenen, Angehörigen, Mandatsträgern sowie Vertretern der Fachverbände und Selbsthilfegruppen erarbeitet wurde und weiter fortgeschrieben werden soll.

Als den größten Erfolg ihrer Arbeit wertet Seidl, dass die Arbeitsgemeinschaft Inklusionsbeirat nicht mehr nur beratend tätig ist, sondern auch Rederecht in den Kreisausschüssen hat. Seither engagiert sich die Arge im Landkreis für mehr Barrierefreiheit im Kinder- und Jugendbereich, im Bildungs- und Schulbereich sowie im öffentlichen Nahverkehr. So konnte die Arge beispielsweise erreichen, dass Busfahrer geschult werden, um Menschen mit Handicap Hilfestellungen geben zu können. Ein großer Kritikpunkt ist laut Seidl jedoch weiterhin, dass die meisten Haltestellen noch immer nicht barrierefrei sind. Ein sehr großes Thema ist nach Ansicht der scheidenden Vorsitzenden weiterhin die Pandemie. Menschen mit Behinderung seien davon stärker betroffen gewesen als Menschen ohne Behinderung, so ihre Erfahrung.

Seidl hinterlässt ihrem Nachfolger Claus Angerbauer keine leichten Aufgaben. In der vergangenen Amtsperiode habe der Vorstand "nicht ohne Reibungen" arbeiten können, da seine Tätigkeit durch zahlreiche Schreiben und Anträge erschwert worden sei. Sie hoffe, dass die neue Führungsriege wieder konstruktiv zusammenarbeiten könne, wünschte sich Seidel. Bei den Neuwahlen wurde die Führungsriege mit Ausnahme von Beisitzerin Regina Klusch komplett neu besetzt mit Bärbel Seibold und Nico Wunderle als Stellvertreter und SPD-Kreisrätin Elisabeth Fuchsenberger als Schriftführerin. Die neuen Beisitzer sind Anna Ottermann und Willi Neuner.

Claus Angerbauer ist seit zwölf Jahren Gemeinderat in Weßling und seit 2018 Inklusionsbeauftragter der Gemeinde. Die politische Arbeit sei wichtig für die Bewusstseinsbildung, davon ist er überzeugt. Angerbauers großes Anliegen als neuer Vorsitzender ist die Fortschreibung des 287 Seiten starken Aktionsplans. Man müsse Inklusion von Anfang an neu denken, wie etwa in Schule und Kindergarten, in Ausbildung und Studium. Auch die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt liegt seiner Meinung nach noch im Argen. "Wir müssen die Arbeitgeber stärker mitnehmen", sagt er. Es gebe so viele Menschen mit Handicap, die große Leistungen erbringen. Angerbauer ist überzeugt: "Wir sind keine Bittsteller, wir sind auf Augenhöhe."

© SZ vom 20.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: