Feldafing:Drei Grenzgänger

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Ravels Bolero auf der Westerngitarre, geht das? Klar. Larry Coryell machte es bei seinem Konzert in Feldafing vor. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Jazz-Gitarrist Larry Coryell zusammen mit Jermaine Landsberger und Andreas Neubauer in Feldafing

Von Reinhard Palmer

Larry Coryell gehört zu den wenigen Texanern, die sich dem Jazz verschrieben haben. Er hat es auch bis ganz nach oben gebracht - und ging mit Paco de Lucía und John McLaughlin auf Welttournee, die Al Di Meola dann an seiner Stelle fortsetzte. Dass Coryell allerdings nicht nur auf den Jazz reduziert werden darf, wurde auch im Konzert bei Jazz am See im Feldafinger Bürgersaal deutlich. Die wildesten Zeiten seiner Vita liegen in der Ära des Gitarrenrock und Psychedelic, als sein Name in einem Atemzug mit Hendrix, Santana und Clapton genannt wurde. Er ist ein Grenzgänger, der sich nie zuordnen ließ und bis heute immer wieder auf Raubzüge in fremde Jagdgründe ausrückt.

Tatsächlich brachte ihn auch in Feldafing seine solistische Einlage nach der Pause auf der akustischen Gitarre erst so richtig in Fahrt. Man vergaß hier schnell, dass da ein 72-Jähriger die Saiten mit Powerplay bearbeitete. Die improvisatorische Einlage begann mit Klangspielen und harmonischen Wanderungen, bis sich eine Idee herauskristallisierte: Bolero von Ravel. Das mag zunächst banal klingen. Doch was Coryell aus dem Klassiker machte, war eine kleine Rockoper bis hin zu donnernden Akkorden von so hochtrabender Ausdehnung, dass der Gitarrist selbst über den Höhenflug jubeln musste. Da hatte er es geschafft, auf einer berauschenden Klangwelle zu reiten.

Das Grenzüberschreitende war denn auch das gemeinsame Element des Trios. Der Tastenderwisch mit dem Hammond-B3-Sound, Jermaine Landsberger, entstammt einer Sinto-Familie und pflegt seit jeher den Stil von Django Reinhardt, dem auch Coryell bereits 1979 ein Album mit Stéphane Grappelli gewidmet hatte. Gerade wenn der Gitarrenvirtuose seine E-Gitarre in die Hand nahm, kamen sich die beiden Musiker sehr nahe, auch wenn sich Coryell stets darum bemühte, nicht allzu viel Übereinstimmung zuzulassen. Diese Irritationen griff Landsberger gerne auf, sperrige Ausbrüche stemmten sich hier immer wieder gegen das homogene Dahintreiben. Es ging beiden dabei weniger um provozierende Störungen und Querschläge als vielmehr um ein gegenseitiges Sich-Herausfordern und -Anstacheln.

Landsberger drehte dann schon gerne auf, ließ sich auf die wildesten Duelle ein, spielte zudem mit Klangregistern, die mit ihren zum Teil kuriosen Besonderheiten in den energischen Eskapaden keinerlei Einförmigkeit zuließen. Andreas Neubauer blieb am Schlagzeug keinesfalls außen vor. Ganz im Gegenteil: Er, ebenfalls notorischer Grenzgänger, der derzeit in der Mongolei doziert, war der zentrale Ansprechpartner. Und er gab in den Dialogen nicht nur rhythmisch Antworten, sondern auch im melodischen Sinne. Besonders wenn sich sein Part aufs Spiel der sauber gestimmten Trommeln konzentrierte. Dies waren denn auch die kammermusikalischen Momente, in denen es vor allem um motivische Arbeit ging. So auch in den Balladen. Das Spiel mit den Klangfarben entwickelte sich dann reizvoll, und Coryell entlockte seinem Instrument wunderbar berührende Gesänge. Insbesondere in der zweiten Konzerthälfte, als sich die Musiker auf die schwierige Schlauchsaalsituation akustisch einzustellen vermochten. Der Klang wurde wohltuend schlank und transparent bis in die letzten, fast ganz gefüllten Reihen. Die Zugabe nach frenetischen Ovationen entspannte den Bebop-Drive des fulminanten Finales, nachdem sich Landsberger mit einem Reinhardt-Intro ausgetobt hatte.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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