Starnberg:Auf Entdeckungsreise in der Wohngalerie

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Die Initiatorin der "Kunsträume am See", Elisabeth Carr, lädt zur Jubiläumsausstellung in ihre privaten Räume ein und präsentiert mit festem Zeitplan, Einbahnregelung und Mundschutz Arbeiten von Manuela Hartel und Anna Schölß

Von Katja Sebald, Starnberg

Und jetzt also auch noch die eigene Wohnung! Vor 15 Jahren rief Elisabeth Carr das Projekt "Kunsträume am See" ins Leben. Eine "richtige" Jubiläumsfeier ist unter den momentanen Umständen nicht möglich, deshalb verwandelte sie kurzerhand ihr eigenes Zuhause in einen "Kunstraum", eine "Gallery to live in". Im Stundentakt öffnete sich am Samstag- und am Sonntagabend die Haustür der historischen Villa Mussinan an der Possenhofener Straße, in der Elisabeth Carr mit ihrer Familie die beiden unteren Etagen bewohnt. Anhand einer Liste, mit festem Zeitplan, mit strikter Einbahnregelung und natürlich nur mit Gesichtsmaske durften die Gäste in - fast - alle Zimmer schauen und dann über den Garten wieder hinausgehen, wo sie Getränke aus Einwegbechern und Snacks in kleinen Brotzeittütchen erhielten. Um es gleich vorweg zu nehmen: Von "Kultur" kann man unter den momentanen Bedingungen kaum sprechen. "Sie wissen, wie gerne ich eigentlich rauschende Feste feiere", sagte denn auch die Gastgeberin, die sich nicht zuletzt durch die liebevolle und persönliche Note ihrer Veranstaltungen einen Namen gemacht hat, bedauernd in ihrer Begrüßungsansprache. Um aber auch das vorweg zu nehmen: Die installative Ausstellung mit Arbeiten von Manuela Hartel und Anna Schölß ist wirklich großartig.

Auch Installationen schmücken nun die Wohnung von Elisabeth Carr. (Foto: Arlet Ulfers)

Unter dem Titel "Hidden Chrystals - Blossoms Unfold" darf die Kunst in dieser Wohngalerie die Räume öffnen, verändern, verfremden, mit neuer Bedeutung aufladen. Sie kriecht aus den Ecken, macht sich im Bett breit, fällt von der Decke, flimmert über Tische und Bildschirme, blubbert aus dem Kochtopf, flattert über einen Vorhang, hängt auf der Wäscheleine.

Unter dem Titel "Hidden Chrystals - Blossoms Unfold" darf die Kunst in dieser Wohngalerie die Räume öffnen. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Eingriffe der Medienkünstlerin Manuela Hartel in vorgefundene Raumsituationen sind mal beklemmend eindringlich und mal erfrischend beiläufig. Sie projiziert eine Videosequenz so auf ein Sofakissen, dass es sich in ein sprechendes Gesicht verwandelt und aus der gerade noch einladenden Sitzecke im freundlich aufgeräumten Wohnzimmer eine befremdliche Angstzone wird. Im Untergeschoss zeigt Hartel das Video "masque baroque" für das sie die Aufnahme von einem Gesicht mit Mund- und Nasenschutz mit einem Gemälde aus der Barockzeit so überblendet hat, dass sich der Betrachter in einem traumgleichen Verwirrspiel aus Darüber und Darunter verliert. Ähnlich ist die Wirkung des Videos von sich sachte im Wind bewegendem Laub, das auf einen transparenten Vorhang projiziert wird: Die schemenhaft sichtbaren Pflanzen auf der Fensterbank dahinter und der Garten hinter dem Fenster vervielfachen diesen ungewöhnlichen, und doch wie zufällig eingefangenen Blick ins Grüne. Der letzte Raum der Kunstwohnung ist eine kleine Schlafkammer, die Hartel zur Bühne einer geheimnisvollen Erzählung macht: Über einer Möblierung und einer Lichtsituation wie aus einem Gemälde von Vermeer erscheint in einer Ecke des weißen Zimmerchens das Video "I wash my hands. . .", zwei Hände in einer Schüssel mit Milch.

Anna Schölß erforscht in ihren Zeichnungen, Siebdrucken, Gemälden und Objekten immer wieder kristalline Anordnungen, die sie im winzigen Format mit sparsam gesetzten Farbflächen ebenso findet wie im "Wäschespinnenkristall", den sie mitten im Raum auf einem Sofatisch platziert hat. Ihre in Starnberg gezeigten Arbeiten bezeichnet sie deshalb als "Studie zur kristallinen Untergrabung der profanen Wirklichkeit". Die in verschiedenen Räumen verteilten Aquarelle erhalten durch eine besondere Ausleuchtung eine beinahe plastische Anmutung. Zeichnungen arrangiert Schölß zu Wandinstallationen und auf ihren meist kleinformatigen Leinwänden spürt sie den aus verschiedenfarbigen Dreiecken zusammengesetzten Kristallgebilden mit den Mitteln der Malerei nach: In den Farben von Vanille- und Pistazieneis malt sie zurückhaltende "Kristallblüten" in Öl auf Holz und in pastosen schwarzen Strichen formt sie "Black Crystals". Besonders reizvoll ist es, wenn sie ihre Arbeiten wie versuchsweise an die Wand gepinnt oder en passant auf einer Kommode abgestellt präsentiert. Und gleiches gilt für die durch Hitze verformten Plexiglasplatten, die sie als "Handtuch-Objekte" wie zufällig über eine Wäscheleine gehängt hat.

Es werden unter anderem Bilder und Videos verwendet. (Foto: Arlet Ulfers)

Am Eröffnungswochenende wurden die Räume auch von dem kürzlich mit dem Kulturförderpreis des Landkreises ausgezeichneten Gitarristen Jakob Wagner bespielt, Manuela Hartel zeigte zu später Stunde eine Performance im nächtlichen Garten.

Die Ausstellung ist noch einmal am 5. Juli von 15 bis 21 Uhr zu sehen - Voranmeldung ist unter kontakt@kunstraeume-am-see.de oder unter Telefon 08151-559721 erforderlich.

© SZ vom 29.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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