Sommersnachtstraum:Emotional und symphonisch

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Der Gautinger Sommernachtstraum "Aus 100 Jahren Kino" unter der Leitung von Johannes X. Schachtner und mit der Moderation von Gerd Holzheimer begeistert das Publikum

Von Reinhard Palmer, Gauting

Ihren Sommernachtstraum im Park des Schlosses Fußberg am Würmufer lassen sich die Gautinger nicht nehmen. Großenteils in Decken gehüllt verharrten alle bis zum abschließenden Feuerwerk. Die Musikschüler, die als erste die Bühne bestiegen, hatten wohl mit der Kälte nicht zu kämpfen. Und das lag nicht an den Scheinwerfern.

Bekannte Melodien aus 100 Jahren Kino begeisterten das Publikum im Rahmen des Sommernachtstraums im Park von Schloss Fußberg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Hitze stieg eher von innen vor Aufregung hoch. Die harte Arbeit am Instrument sorgte für weitere Grade. Das Orchester der veranstaltenden Musikschule Gauting-Stockdorf unter der Leitung von Regine Noßke kämpfte vor allem mit der Intonation und dem Zusammenspiel, die sich nicht so recht einstellen wollten. Der Weg vom Instrumentenspiel zur Musik ist eben lang und mühsam. Und dennoch einer der besten, den man gehen kann. Die Bigband unter der Leitung von Christian Hiesel-Schill legte dazu die Gründe schon überzeugend dar: Im stimmungsvollen "Moonriver" oder mit der wunderbar souligen Sängerin Amadea Ackermann in "Summertime" oder "Feeling good" war schon deutlich Leidenschaft zu spüren.

Es spielten die Orchester und Solisten der örtlichen Musikschule. Der einzige Makel waren die doch frischen Temperaturen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

"Aus 100 Jahren Kino", so das Motto der Hauptdarbietung mit dem Orchester des Lehrerkollegiums und der Freunde der Musikschule, humorvoll von Gerd Holzheimer moderiert. Unter der Leitung von Johannes X. Schachtner kamen dabei einige Überraschungen zum Vorschein. Filmmusik ist ja von Haus aus sehr emotional aufgeladen und als wesentliche Stütze der filmischen Dramaturgie ein unverzichtbares Element. Gerade im Stummfilm, der nur auf pantomimische Dramaturgie zurückgreifen kann. Der weltweit Erste, der erproben durfte, wie das Maßschneidern auf filmische Szenen funktioniert, war niemand geringere als Camille Saint-Saëns. Der französische Historienstummfilm "Die Ermordung des Herzogs von Guise" von 1908, der hier auch auf die Leinwand projiziert wurde, erhellt die Umstände des Todes von Henri I. de Lorraine, duc de Guise, und ist sehr ereignisreich. Die Musik verschafft dafür nicht nur Atmosphäre, sondern auch der Handlung Klarheit. Schachtner meisterte die Koordination mit den gestenreichen Szenen bravourös, ohne den musikalischen Bogen, der durchaus symphonisch angelegt ist, aus dem Blick zu verlieren. Weit symphonischer hatte Pietro Mascagni sein "Intermezzo sinfonico" für die Oper "Cavalleria rusticana" angelegt. Die Geschichte um Ehre auf Leben und Tod passte für den Film "Der Pate" von Francis Ford Coppola, dem das sehnsuchtsvolle Intermezzo hinterlegt wurde, hier aber vielmehr wegen seiner berührend schönen Melodik verzauberte. Der große Meister der Filmmusik Ennio Morricone verstand es, all die tradierten Mittel in seine klingenden Bilder zu verwandeln. Unverwechselbar sein "Gabriels Oboe" aus "Mission" von 1986: seelentief berührend schön, farbenreich bis hin zum Cembalo-Einsatz und Streichersymphonik. Nur Piazzollas "Adiós Nonino" konnte dies übertreffen - wenn auch keine Filmmusik. Als Beweinung seines verstorbenen Vaters vertonte Piazzolla vielmehr eine große Szene des realen Lebens, die in ihrer nostalgischen Empfindsamkeit kein Auge trocken lässt und hier von Regine Noßke im violinistischen Solopart ausdrucksstark erklang. Chaplin widmete Enjott Schneider 1988 fünf Stücke für Brass-Quintett, das hier mit ganzer Vielfalt von geheimnisvoller Erzählung bis zum Slapstick-Schmetterblech der Filmmusik nahestand. Irving Berlin, der US-amerikanische Komponist, feierte seinen Einstieg in die Filmmusik mit einem Geniestreich: "Puttin' on the Ritz", nach dem der spätere Film auch benann. John Williams wurde indes mit "Escapades" mit einer recht minimalistischen Komposition für Holzbläserquartett in Erinnerung gerufen. Ein spannender Trip durch die Filmgeschichte.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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