Sakrale Kunst:Die moderne Basilika

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Die bald 50 Jahre alte Kirche St. Ulrich in Söcking gehört mit ihrer riesigen Altarwand und dem mehr als 60 Meter langen Mittelschiff zu den spektakulären Neubauten der Nachkriegszeit

Von KATJA SEBALD, Söcking

Die katholische Kirche St. Ulrich in Söcking wird im kommenden Jahr fünfzig Jahre alt. Der Neubau war notwendig geworden, weil die alte Söckinger Kirche St. Stephan nach dem Zweiten Weltkrieg für den stark gewachsenen Ort, damals noch eine selbständige Gemeinde, zu klein geworden war. Im Jahr 1956 hatte man deshalb einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben, aus dem der Münchner Architekturprofessor Georg Werner als Sieger hervorging. Im April 1957 wurde der Grundstein gelegt, und bereits am 1. November 1958 konnte die neue Kirche geweiht werden.

Die 50 Jahre alte Kirche St. Ulrich in Söcking wirkt trotzdem modern. (Foto: Arlet Ulfers)

Auch ein halbes Jahrhundert nach ihrer Fertigstellung hat die Ulrichskirche mit ihrem hohen, schmalen Kirchenraum, der die Anmutung und Lichtführung einer gotischen Kathedrale mit den Elementen des Neuen Bauens verbindet, nichts von ihrer kühnen Modernität eingebüßt. Trotz ihrer enormen Größe, ihres markanten, 56 Meter hohen Spitzturms und ihrer exponierten Lage am Rand einer weiten Wiesenfläche fügt sich die Kirche ausgesprochen harmonisch in die Landschaft ein. Sieht man einmal von den Söckinger Kirchgängern ab, dann dürften wohl nur wenige Menschen wissen, was für ein spektakulärer Kirchenbau hier in der Nachkriegszeit realisiert worden ist.

Kühner Bau: Die Söckinger Kirche mit ihrem markanten Spitzturm. (Foto: Arlet Ulfers)

Ihr architektonisches Konzept offenbart die nach außen eher abweisend als einladend wirkende Kirche nämlich erst in ihrem Inneren: Es handelt sich um die moderne Interpretation einer Basilika, bei der ein hohes und durch eine Fensterzone belichtetes Mittelschiff von niedrigeren Seitenschiffen flankiert wird. In Söcking ist das Mittelschiff über sechzig Meter lang und fast zwanzig Meter hoch. Die beeindruckende Raumwirkung wird vor allem durch die ungewöhnlichen Proportionen erzielt, denn die Seitenschiffe erreichen nur etwa ein Drittel der Traufhöhe des Hauptschiffs. Dieses wird von einem offenen Sparrendach überspannt, das an die ebenfalls enorm dimensionierten Bettelordenskirchen in Italien erinnert.

Die Monumentalität des hohen und schmalen Kirchenraums wird durch die riesige Altarwand noch verstärkt, die wie ein Fels an seiner Ostseite aufragt. Diese höchst ungewöhnliche Reliefwand aus Huglfinger Tuffstein ist ein Werk des Bildhauers Georg Brenninger. Sie ist 12,5 Meter hoch, sechs Meter breit und fünfzig Zentimeter stark. Der Text, der über die gesamte Höhe verläuft, besteht aus den Versen eins bis vierzehn des Johannesevangeliums. Viermal wird er durch figürliche Darstellungen unterbrochen, die sich auf die jeweilige Textpassage beziehen.

Die Altarwand aus Huglfinger Tuffstein. (Foto: Arlet Ulfers)

Wie die großen Kathedralen der Gotik verdankt auch die Ulrichskirche ihre feierliche, beinahe mystische Anmutung der besonderen Lichtführung. Licht und Farbe waren in gotischen Kirchen Elemente einer Epiphanie, sie stehen also für die Präsenz Gottes. Diese Vorstellung scheint nun auch in der Söckinger Ulrichskirche auf: Über fünf große Rundfenster an der Südseite wird der obere Bereich des Mittelschiffs belichtet, er ist also vor allem bei Sonnenschein strahlend hell, fast so, als öffne er sich in Richtung Himmel.

Die Nordseite des Altarraums besteht aus fünfzig quadratischen Glasbausteinen, die diesen Bereich gleichmäßig, aber eher diffus erhellen. In den Seitenschiffen jedoch entfaltet sich ein je nach Tageszeit immer wieder neues Spiel aus Licht und Farbe.

Vielfarbiges Licht dringt durch die Glasmosaikwände ein, die der Münchner Künstler Franz Nagel gestaltete. Strahlende Farben waren ein zentrales Merkmal der mittelalterlichen Ästhetik. Die in ein Betongitter eingefügten Bleiglasflächen sind also gleichsam eine moderne Interpretation der bunten Glasfenster, wie man sie etwa aus dem Regensburger oder dem Kölner Dom kennt und die dem mittelalterlichen Kirchenbesucher wie ein Wunder erscheinen mussten.

Das sechzig Meter lange und fast 20 Meter hohe Mittelschiff. (Foto: Arlet Ulfers)

Einen Besuch der Kirche St. Ulrich kann man entweder mit einem Abstecher zur alten Söckinger Pfarrkirche St. Stephanus verbinden, die heute von der evangelischen Kirchengemeinde für Gottesdienste genutzt wird - oder aber man steigt auf den "Kahlenberg", wo sich versteckt hinter hohen Bäumen das Prinz-Karl-Mausoleum befindet. Es wurde 1840 als Begräbnisstätte für die erste Ehefrau des Prinzen Karl Theodor Maximilian von Bayern, dem jüngeren Bruder von König Ludwig I. errichtet. Auch die zweite Frau des Prinzen und schließlich er selbst fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Unterhalb des Mausoleums befindet sich die Grufthalle der Grafen Almeida. Wem nach so viel Feierlichkeit eher nach leiblichen Genüssen ist, dem sei die kleine Patisserie "Süßer Zauber" (www.suesser-zauber.com) an der Andechser Straße 33 ans Herz gelegt. Und wer gut zu Fuß ist, kann durch die zu jeder Jahreszeit herrliche Maisinger Schlucht wandern und im "Gasthaus Georg Ludwig" einkehren (www.gasthaus-georg-ludwig.de, Montag und Dienstag Ruhetag).

© SZ vom 07.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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