Sensationsfund:Madonna aus ihrem Versteck geholt

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Die restaurierte Madonna ist im Dießener Rathaus ausgestellt. Bürgermeister Herbert Kirsch (links), Restauratorin Elena Agnini und Volkskundler Wolfgang Lösche freuen sich über den Fund dieser Rarität. (Foto: Georgine Treybal)

Die Gemeinde Dießen kauft eine mehr als 300 Jahre alte Marienfigur, die sich über Generationen in Familienbesitz befand.

Von Katja Sebald, Dießen

Die Geschichte der Dießener Keramik wird um ein spannendes Kapitel erweitert. Bürgermeister Herbert Kirsch und der Keramikforscher Wolfgang Lösche präsentierten eine Madonna aus glasierter Terrakotta, die die Gemeinde von einer alteingesessenen Familie angekauft hat. Die Marienfigur ist mit 1708 datiert und eindeutig einer Dießener Hafner-Werkstatt zuzuschreiben.

Schon länger kursierte das Gerücht, dass es in einem Dießener Haus eine Fayence-Madonna geben soll, gesehen hatte sie bisher noch kaum jemand. Auch der Volkskundler Lösche, der sich wie schon sein 2010 verstorbener Vater Ernst Lösche der Erforschung der Hafner-Tradition verschrieben hat, bekam keinen Zugang. Umso erfreuter ist er jetzt angesichts der Figur und spricht von einem Sensationsfund: "In 40 Jahren Forschertätigkeit habe ich so etwas noch nicht gesehen."

Die Marienfigur ist deshalb so bedeutsam, weil bisher lediglich bekannt war, dass in den Dießener Werkstätten wohl mindestens seit dem 16. Jahrhundert Fayence-Geschirr, Ofenkacheln und andere Gebrauchsware produziert wurde. Es handelt sich um eine für die Zeit durchaus typische Darstellung der Jungfrau Maria mit einem Sternenkranz und ohne Kind. Als "Maria Immaculata" steht sie auf der Weltkugel und zertritt mit ihren Füßen eine Schlange als Symbol der Erbsünde. Die "immaculata conceptio", die unbefleckte Empfängnis Mariens, ist ein Dogma der katholischen Kirche; demnach hat Gott die künftige Mutter Gottes vom ersten Augenblick ihres Lebens an, also schon bei der Empfängnis, vor der Sünde bewahrt.

Die Figur ist 72 Zentimeter hoch, steht auf einem knapp 20 Zentimeter hohen Sockel und wird von einem Kranz aus sieben Sternen bekrönt. Insbesondere der Sockel, der mit der Jahreszahl 1708 und den Initialen IL beschriftet ist, weist ihren Schöpfer als versierten Handwerker aus, der mit Sicherheit auch Ofenkacheln hergestellt hat. Durch die Initialen lässt sich die Figur eindeutig der Werkstatt von Johann Losch zuweisen, der als einer der zu dieser Zeit insgesamt acht Dießener Hafner in der Mühlstraße ansässig war. Ein Bildhauer war er wohl nicht. So ist es zu erklären, dass er bei der Figur auf gewisse Schwierigkeiten formaler wie auch technischer Art stieß.

Der Kopf und das äußerst liebevoll, aber auch ein wenig unbeholfen modellierte Gesicht sind im Vergleich zum Körper etwas zu groß, auch der gotische S-Schwung des Körpers und der Faltenwurf des blauen Mantels bereiteten dem Künstler Mühe; gerade das aber macht in den Augen der Fachleute den großen Reiz dieser Darstellung aus. Wie die auf Keramik spezialisierte Münchner Restauratorin Elena Agnini bei der Untersuchung der Figur feststellte, muss es seinerzeit auch beim Brand des großen Werkstücks Probleme gegeben haben: "An manchen Stellen ist die Glasur in die Brandrisse hineingelaufen, auch ist die Glasur mit Blasen und Fehlern versehen."

Neben der für Fayencen typischen deckenden weißen Glasur für Gesicht und Kleid verwendete der Hafner auch das Blau, wie es beim blau-weißen Geschirr aus Dießen zum Einsatz kam, außerdem ein Gelb für die Haare und die Innenseite des Mantels und ein zartes Grün für die Bordüren am Kleid.

Eine Besonderheit ist auch, dass die zerbrechliche Figur nicht nur die Zeitläufte überstanden hat, sondern auch in Dießen geblieben ist. In einer alteingesessenen Familie wurde sie von Generation zu Generation weitergegeben. Nach dem Tod des letzten Besitzers, der sie vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen halten wollte, haben sich seine Erben entschlossen, sie der Marktgemeinde zum Kauf anzubieten. Bürgermeister Kirsch zögerte nicht lange und erwarb die Madonna nach Rücksprache mit Lösche zu einem "niedrigen fünfstelligen Betrag", zu dem auch die örtliche Sparkasse eine großzügige Spende beigesteuert habe. Über die Herkunft und die genaue Kaufsumme sei jedoch Stillschweigen vereinbart worden, so Kirsch. Für die Dießener dürfte das keine Rolle spielen: Sie können die Madonna jetzt nach einer aufwendigen Restaurierung im Treppenaufgang des Rathauses bewundern.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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