Schiffstaufe:Lautlos über den Ammersee

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Die neue "MS Utting" ist mit modernster Technik ausgestattet. Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler ist Schiffspatin

Von Astrid Becker, Utting

Ganz sanft gleitet sie durchs Wasser. Von unten, aus dem Bauch des Schiffes, ist nichts zu hören. Keine Maschinengeräusche, keine stampfenden Kolben, keine Vibrationen. Nichts. Schon allein das deutet darauf hin, dass dieser Dampfer mit moderner Technik ausgestattet ist. Die Rede ist von der neuen MS Utting, die am Freitag nicht nur getauft, sondern auch zu ihrer Jungfernfahrt auf dem Ammersee aufgebrochen ist.

Das heißt: Die eine oder andere Probefahrt haben die hauptamtlichen Kapitäne bereits an so manch einem Nachmittag unternommen, immer dann, wenn es die Techniker und die Handwerker, die den Innenausbau des Schiffes seit seiner Anlieferung Mitte April in Stegen erledigten, erlaubt haben. "Wir mussten uns ja mit der Technik des Schiffes vertraut machen. Ganz anders ist sie als die alte Utting", erzählt Schiffsführer Helmut Diller. Er muss es wissen: Seit 27 Jahren arbeitet er schon bei der Bayerischen Seenschifffahrt. Diese vielen Jahre, die Erfahrung - das sind wohl beides die Gründe dafür, warum ihm die Ehre zuteil wird, das Schiff bei seiner ersten Fahrt auf dem See zu steuern.

Mit an Bord sind die Ehrengäste der Schiffstaufe: Finanzminister Markus Söder zum Beispiel, der schon vor dieser Fahrt in seiner Festrede davon spricht, wie gern er Termine wie diesen absolviere. "Ein Hochamt" nennt er die Schiffstaufe, nicht nur ein geistliches, sondern "auch ein weltliches", das er ganz offensichtlich sehr genießt. Er witzelt über seine anderen, schwierigeren Aufgaben, die Sanierung der Landesbank etwa oder sein Lieblingsthema Finanzausgleich, bei dem andere Länder profitierten "ohne Dankeschön" zu sagen. Den Landsberger Landrat Thomas Eichinger nennt er wegen dessen Dreitagesbart den "George Clooney vom Ammersee". Selbstironisch äußert er sich über seinen Besuch vor kurzem beim britischen Schatzkanzler Philip Hammond in London. Der lebe "Tür an Tür" mit seinem Premier. Das müsse man sich so vorstellen, als ob er, Söder, Tür an Tür mit Horst Seehofer lebe: "Da sag' ich nur: auf gute Nachbarschaft."

Der neue Ausflugsdampfer auf dem Ammersee legt nach der Schiffstaufe in Utting zur Jungfernfahrt ab.

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(Foto: Nila Thiel)

Am Ammersee sind sie stolz auf die neue MS Utting, die ihr inzwischen zur Eventlocation umfunktioniertes Vorgängerschiff mit dem selben Namen ersetzt.

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(Foto: Nila Thiel)

Der neue Dampfer ist barrierefrei, aufs obere Deck gelangt man mit einem Aufzug.

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(Foto: Nila Thiel)

Bei der Jungfernfahrt am Freitag zeigt sich der Ammersee gnädig und ohne großen Wellengang.

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(Foto: Nila Thiel)

Die Hauptfiguren der Zeremonie auf der Brücke: Regionalbischöfin und Schiffspatin Susanne Breit-Kessler, Ehrengast Markus Söder und Kapitän Helmut Diller (v.l.).

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(Foto: Nila Thiel)

Der Dampfer wird gesegnet.

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(Foto: Nila Thiel)

Uttings Bürgermeister Josef Lutzenberger vergleicht die neue MS Utting in seiner Rede mit einem Porsche, "von der Technik her, die in ihr steckt".

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(Foto: Nila Thiel)

An Land und auf einem kleinen Kahn versammeln sich Schaulustige.

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(Foto: Nila Thiel)

Im Bauch des Schiffes werden künftig Ammersee-Ausflügler speisen.

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(Foto: Nila Thiel)

Für die nötige Feierlichkeit sorgen bei der Zeremonie die Uttinger Shanty-Sänger.

Von der neuen MS Utting gibt sich Söder begeistert, und das wohl nicht nur, "weil sie ein ganz besonders schönes Schiff ist", sondern auch wegen des "MS" in ihrem und allen anderen Schiffsnamen. "MS", ganz klar, für ihn heißt das "Markus Söder". Ein Witz, den die Schiffspatin, die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler, sofort aufgreift: "Ich dachte MS stünde für 'Meine Susanne'."Dann erinnerte sie an biblische Schiffe und daran, dass sich auch Jesus gerne auf ein Boot zurückgezogen habe, um zur Ruhe zu kommen. Dafür habe er allerdings keine Atlantiküberquerung gebraucht: "Ihm reichte der See Genezareth, uns der herrliche Ammersee."

Nur wenig später packt sie eine Flasche fränkischen Sektes, wie mittlerweile immer bei solchen Anlässen vom Staatlichen Hofkeller in Würzburg, und wünscht dem neuen Schiff "allzeit gute, sichere Fahrt und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel". Doch bei allen Worten, die an diesem Freitag gesagt werden, gibt es eine Sache, die immer wieder von fast jedem Redner und vielen Festgästen angesprochen wird: Die "MS Seeshaupt", die vor fünf Jahren von Söders Frau Karin Baumüller-Söder getauft worden ist und kurze Zeit später einen Steg rammte. Das, so meinen viele, dürfe diesmal nicht passieren. Selbst Söder äußert sich so: "Das war damals schon ein wenig heftig, auch wenn zum Glück kein Mensch zu Schaden kam. Meine Frau wird jedenfalls kein Schiff mehr taufen."

Aber so etwas passiere ja nur am Starnberger See, nicht am Ammersee, ist dann von vielen zu hören. Vor allem von denjenigen, die bei der Bayerischen Seenschifffahrt arbeiten. Auch wenn das nicht ganz stimmt. Denn 2002 hatte ein Hydraulikschaden die damals neue MS Herrsching lahmgelegt. Aber wie dem auch sei, das will an diesem Tag niemand mehr wissen. Zu stolz ist man auf das 34. Schiff der Flotte, die MS Utting. Barrierefrei ist es, mit einem Aufzug ausgestattet und einer Rutsche für Kinder.

Ganz anders also als die alte MS Utting, die, wie der Uttinger Bürgermeister Josef Lutzenberger sagt, nach mehr als 65 Jahren "gottlob nicht ausgemustert worden ist", sondern mittlerweile auf einer Eisenbahnbrücke in München für Kulturveranstaltungen genutzt werden soll. Die alte Utting sei kein Vergleich mit dem neuen Schiff, meint auch Kapitän Diller. Die sei wie ein VW Käfer oder ein alter Volvo gewesen. "Die neue Utting, die ist ein Porsche oder ein Ferrari, also von der Technik her, die in ihr steckt." Eben ein besonderes Schiff. Und eines, das an diesem ersten Tag ganz leise und ruhig übers Wasser gleitet. Allerdings zeigt sich der Ammersee auch besonders sanft. Wie sich das Schiff bei stärkerem Wind oder Wellengang gibt, weiß noch niemand. Nicht einmal Kapitän Diller.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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