Schwarzbuch:Herrsching am Pranger

Lesezeit: 2 min

Bund der Steuerzahler rügt die provisorische Aufstellung von Pflanztrögen. Bürgermeister Schiller verteidigt das Konzept

Von Peter Haacke, Herrsching

Für die Kritiker sind sie platzraubend, geschmacklos und völlig unnötig, die Befürworter dagegen halten die 25 Pflanztröge in ihrer Gemeinde für sinnvoll, stimmig und effektiv. Sie sind provisorisch aufgestellt worden, um den Verkehr zu beruhigen. Seit Jahren schon tobt in Herrsching zum Thema Verkehr und Mobilität eine leidenschaftliche Diskussion, seit Dienstag wird auch bundesweit darüber gesprochen: Der Bund der Steuerzahler hat in seinem jüngsten Schwarzbuch, das die vermeintlich abstrusesten Fälle von Steuergeldverschwendung in Deutschland anprangert, auch die Ammersee-Gemeinde aufgeführt. Herrschings Bürgermeister Christian Schiller indes äußert Unverständnis über den Eintrag ins Schwarzbuch. Die Herrschinger leiden wie viele andere Gemeinden auch unter überbordendem Verkehr. 2014 beschloss der Gemeinderat daher, ein Konzept erstellen zu lassen, an dem unterschiedlichste Institutionen und Interessenvertreter, vor allem aber betroffene Anlieger beteiligt waren. In der jüngsten Bürgerversammlung vor zwei Wochen gab es laut Schiller überwiegend Rückhalt für die schrittweise Umsetzung des insgesamt rund 234 000 Euro teuren Konzepts, das unter anderem eine Entschleunigung durch Tempo 30 in der See- und Summerstraße vorsah. Dazu hatten die Herrschinger in den viel befahrenen Straßen zum Schutz für Fußgänger und Radfahrer an Einfahrten und auf Parkflächen versuchsweise 25 Pflanztröge - bepflanzt mit jeweils einem Baum - aufgestellt. Die Kosten allein hierfür betrugen 145 000 Euro.

Der Bund der Steuerzahler moniert nun, dass die provisorischen Tröge - mal ganz abgesehen von den Kosten - "überwiegend neben oder unter einem bereits bestehenden Baumbestand" aufgestellt wurden. Zudem seien Schulkinder beim Überqueren der Straße hinter den Pflanztrögen kaum sichtbar, und der Verkehr sei eben auch nicht "beruhigter". Indirekt stellt der Beitrag infrage, ob die öffentlichen Mittel am Ammersee "sachgerecht verwendet" wurden und das Kosten-Nutzen-Verhältnis zum Zweck der Verkehrsberuhigung auch gerechtfertigt sei.

Für Schiller stellen sich diese Fragen gar nicht. Schon im Mai hatte er dem Steuerzahlerbund, der zuvor um Stellungnahme gebeten hatte, ausführlich die Beweggründe für die Aufstellung der Tröge und die wesentlichen Grundzüge des Herrschinger Verkehrskonzepts dargelegt, das überdies noch längst nicht abgeschlossen ist. In allen Kommunalwahlkämpfen seit 1986 sei das Thema "Verkehr" regelmäßig aufgekommen, 2011 habe die Bürgerschaft ein Konzept für Herrsching gefordert, sagt Schiller. Seit vier Jahren hätten nun Workshops, Arbeitskreise und Expertenrunden unter Beteiligung der Anwohner stattgefunden, im Gemeinderat und auf Bürgerversammlungen sei intensiv diskutiert worden. Schiller stützt sich auf zumeist einstimmige Beschlüsse der politischen Gremien, und auch Polizei und Landratsamt seien stets "haarklein in die fachlich fundierte Umsetzung" eingebunden gewesen. Zwar sei das Design der Tröge Geschmacksache, und auch die Standorte sind noch nicht endgültig. Aber in der Sache liege die Gemeinde richtig. "Wenn das Steuerverschwendung sein soll", sagt Schiller, "kann ich gut damit leben".

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: