Schulweghelfer:Schutzengel mit Kelle

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Der 84-jährige Dieter Schönfelder wacht jeden Tag über die Schulkinder in Gauting. Er freut sich, wenn die Kleinen von den Noten und der Oma erzählen. Einige Gemeinden tun sich schwer, genug Lotsen zu finden

Von Blanche Mamer, Gauting

"Als ich den Aufruf in der Zeitung gelesen habe, war mir sofort klar, das ist was für mich", sagt Dieter Schönfelder aus Gauting. Das war 2010, kurz nachdem seine Frau, eine "Lehrerin mit Leib und Seele" gestorben war. Damals meldete er sich als Schulweghelfer. Und seither steht der 84-Jährige bei jedem Wetter fünfmal in der Woche mit seiner Kelle am Hauptplatz in Gauting, stoppt die abbiegenden Fahrzeuge und winkt die Grundschulkinder über die Straße.

"Ich bin so froh, dass wir so zuverlässige Senioren haben", sagt die Gautinger Koordinatorin Franziska Lohe. Sie organisiert die etwa 40 Ehrenamtlichen, die an neun Gefahrenstellen im Ort die Grundschüler sicher über die Straße geleiten. Oft sind es Mütter oder Väter, die den Dienst übernehmen, doch ohne die Rentner könnte sie vor allem die Zeiten nach Schulschluss nicht besetzen, sagt sie. Und sie kann weitere Helfer gebrauchen, vor allem auch als Springer, wenn einer der Lotsen ausfällt.

Für den rüstigen Dieter Schönfelder ist es eine schöne Beschäftigung, die Kinder sind lieb, erzählt er, und er fühle sich akzeptiert und gut aufgehoben. "Sie hören, dass ich nicht von hier bin, ich komme aus Sachsen-Anhalt", sagt er. Und berichtet gleich weiter, was ihn nach Gauting verschlagen hat. Als seine Frau 2009 an einem Gehirntumor erkrankte, waren die besten Ärzte in München und da die Tochter mit Familie in Krailling lebt, hätten sie den Umzug beschlossen und in Gauting eine kleine Wohnung gefunden. Nach sechs Monaten starb seine Frau, er war allein und suchte eine Aufgabe.

Die hat er gefunden und nun wartet er, egal, ob es regnet oder stürmt, auf die Schüler, die auch mit ihren Rollern herbeiflitzen und knapp vor der Ampel scharf bremsen. "Nach dem Unterricht sprudeln sie vor Neuigkeiten: Heute hab ich einen Einser rausgekriegt, heut kommt die Oma, heut gehen wir auf die Wiesn, erzählen sie, während wir an der Ampel warten." Zwischen den Lotsenzeiten geht Schönfelder, der stolz ist auf seinen Doktor in Chemie, in die Gemeindebücherei, liest Zeitung, trinkt einen Kaffee und schon muss er seine gelbe Weste wieder anlegen.

Eine Schulung durch die Polizei sei verpflichtend, sagt Lohe. Pro Einsatz zahlt die Gemeinde 4,50 Euro, neun Euro für die Stunde. Mit einem gemeinsamen Frühstück am Montag im Gasthof zum Bären, hat Bürgermeisterin Brigitte Kössinger die Schulweghelfer honoriert. Das hat bereits Tradition in Gauting und auch in Stockdorf, wo Katharina Frenck die Dienstpläne ausarbeitet. Sie ist froh um jeden neuen Lotsen, denn sie hat insgesamt etwa 100 Einsätze an fünf Übergängen zu vergeben. Sie selbst ist seit zwölf Jahren Schulweghelferin, seit etwa sieben Jahren macht sie die Dienstpläne. Meist seien es Mütter oder Großeltern, auch ein paar wenige sehr engagierte Väter und einige Rentner gehören zu ihrem Team.

Birgit Schneider, die im Starnberger Rathaus die Schulweghelfer organisiert, könnte ebenfalls noch einige zusätzliche Lotsen gebrauchen. "Die Bereitschaft nimmt ab. Ich hoffe, dass sich bei den Elternabenden, die in den kommenden Wochen stattfinden, noch einige Interessierte melden", sagt sie. In Söcking und bei der Schlossbergschule gebe es genügend Ehrenamtliche, auch wenn sie für den gefährlichen Übergang an der Weilheimer Straße noch Aushilfen bräuchte. Und an der Ferdinand-Maria-Schule, wo sie drei verschiedene Querungen mit Schulweghelfern besetzen müsse, gebe es noch fünf Lücken. In den Dörfern Wangen, Hanfeld und Hadorf organisierten die Eltern den Lotsendienst selbst. "In den Dörfern ist die Aufmerksamkeit höher, da sind immer Leute bereit, sich zu engagieren." Die Aufwandsentschädigung von acht Euro die Stunde sei für manchen Rentner ein willkommenes Taschengeld, meint sie. Doch einige Schulweghelfer würden das Entgelt gleich als Spende an den Schulförderverein weiterleiten. Als Zeichen der Wertschätzung lädt Bürgermeisterin Eva John einmal im Jahr, meist im Januar, die Schülerlotsen zu einem Abendessen ein.

Gut dran ist die Gemeinde Gilching. An der James-Krüss-Schule engagieren sich Mütter, vier Väter und ein Opa. Und an der Arnoldus-Grundschule, unter einem Dach mit dem Christoph-Probst-Gymnasium, haben Oberstufenschüler den Lotsendienst übernommen. "Ich freue mich jeden Morgen und bin auch richtig stolz, dass unsere Schüler sich freiwillig an die Straße stellen", sagt Schulleiter Peter Meyer. Derzeit sind 13 Gymnasiasten als Schülerlotsen eingeteilt, berichtet Koordinatorin Irmgard Schäfer. Im September hätten drei neue angefangen, drei weitere habe sie auf der Warteliste. "Eine Motivation ist sicher, dass sie damit ganz leicht ihr Taschengeld aufbessern."

© SZ vom 04.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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