Schützenbund-Präsident Josef Ambacher:Ein perfektes Feindbild

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Der Ministerpräsident nennt ihn "Schützenbruder", manch Starnberger "Mörder": Josef Ambacher ist Deutschlands oberster Schütze und ein mächtiger Lobbyist - dank starker Sprüche und guter Kontakte in die Politik.

J. Käppner

Das Gewehr des Großvaters hing im Flur am Haken, die Patronen lagen im Schrank daneben. Der Junge hat das gewusst, aber nie wäre es ihm eingefallen, die Flinte einfach zu nehmen oder gar damit zu schießen. "Wenn i da higanga wär, hätt i a Schelln kriagt, mei Liaba", sagt Josef Ambacher. Er ist nach dem Krieg aufgewachsen auf dem Einödhof der Großeltern nahe dem Staffelsee, der Opa hatte eine Jagd, Waffen waren etwas Normales, und schon mit 14 war der Junge dabei, wenn es auf Hasen und Rehe ging.

Selbst sein schärfster Gegner sagt über Schützenbund-Präsident Josef Ambacher: "Er ist ein Rabauke, aber falsch war er nie." (Foto: ddp)

Heute sind Waffen nichts Normales mehr, und Josef Ambacher, inzwischen 69 Jahre alt und Präsident des Deutschen Schützenbundes, bedauert das sehr. Als er am Sonntag vom Amoklauf in Lörrach hörte, dachte er an die Opfer - aber auch daran, "dass jetzt wieder 1,5 Millionen Menschen an den Pranger gestellt werden". Damit meint er seine Verbandsmitglieder. Vor einem Jahr, nach dem Blutbad von Winnenden, hatte Ambacher gesagt, man solle Kinder schon ab dem Alter von acht Jahren schießen lassen, und fürchterliche Prügel in den Medien bekommen. Dabei hatte er es gar nicht zynisch gemeint. Er wollte sagen, dass es besser sei, Kinder früh im Verein und unter Aufsicht mit Waffen vertraut zu machen, dann passiere weniger.

Andere, kühle Sporttechnokraten mögen das Hirn des Schützenwesens bilden, Ambacher ist sein Herz. Der schwere Mann in Loden spricht Bairisch, derb und polternd, schlitzohrig und gegebenenfalls mit nicht unerheblicher Boshaftigkeit. Zum Beispiel 2003, als er im feucht-fröhlichen Kreise Neu-Ulmer Schützenbrüder folgenden Witz zum Besten gab: "Wann geht es wieder aufwärts mit Deutschland? Wenn Bundeskanzler Stoiber auf der Beerdigung von Fischer die Witwe von Schröder fragt, wer den Trittin erschossen hat."

Das kostete ihn zwar sein Amt als Schatzmeister im Nationalen Olympischen Komitee, wo man derlei nicht als hilfreichen Beitrag zur völkerverbindenden Idee des Sports betrachtete, aber es kostete ihn wenig Sympathie bei seinen Schützen. Ambacher hat sich entschuldigt, doch es war auch eine Botschaft nach innen: Mir san mir, draußen san die Deppen.

Er versteht sich als Konservativer, ist aber nicht in der CSU oder einer anderen Partei; er ist einer, der Volksmusik liebt und klare Feindbilder und der selbst ein perfektes Feindbild abgibt. Und er weiß, dass er ein sehr einflussreicher Mann ist. Bis in die Grünen hinein sind viele Abgeordnete Mitglieder oder Freunde der Schützenvereine. Die Sportschützen dürfen scharfe Waffen haben, zehn Millionen Pistolen und Gewehre in Deutschland insgesamt.

Ambacher hat es geschickt verstanden, jeden Versuch, dies zu untersagen, als Angriff auf eine Lebensform hinzustellen. Das Vereinswesen erscheint ihm bedroht durch die verwerflichen Versuchungen der neuen Zeiten, in denen ein Bursche seinem Mädchen nicht mehr auf dem Volksfest eine rote Rose schießt, sondern abhängt und Schmarrn im Kopf hat.

Einer seiner härtesten Widersacher war Jürgen Brennecke, bis zu seiner Pensionierung 2003 Referent für Waffenrecht im Bundesinnenministerium. Weil er die großkalibrigen Pistolen aus dem Verkehr ziehen wollte, war er der Lieblingsfeind der Schießeisenlobby. Manche Schützenvertreter schwärzten ihn beim Minister an und taten alles, um ihn als eifernden Ideologen darzustellen - was bei dem Reserveoffizier nicht wirklich überzeugend war.

"Er ist ein Rabauke, aber falsch war er nie"

Ambacher aber ist nicht der Mann, der dem Gegner hintenrum zusetzt. Einmal hat er, man traf sich zu einer Krisenrunde übers Waffenrecht im Ministerium, mit einem Leitz-Ordner nach Brennecke geworfen und gebrüllt, er wolle sofort den Minister Otto Schily selbst sprechen. Brennecke sei ein sehr ehrenwerter Mann, sagt er heute, nur leider so verbohrt. Der umgekehrt meint über den Oberschützen: "Er ist ein Rabauke, aber falsch war er nie."

Gewonnen hat das Duell im Großen und Ganzen natürlich Ambacher. Kein Wunder, rühmt er sich doch bester Kontakte in die Politik; Parteien kennt er dabei nicht. Die SPD-Justizministerin Brigitte Zypries habe er sehr geschätzt. Den CDU-Ministerpräsidenten David McAllister in Niedersachsen nennt er nur "den Mac", mit dem er auf Du und Du sei. Weshalb sich der Mac bei ihm, erzählt Ambacher, neulich nett für Geburtstagsglückwünsche bedankt und ihn als "mein lieber Schützenbruder" bezeichnet habe.

Im heimischen Starnberg dagegen haben sie ihn "Mörder" geschimpft, aber nicht wegen der Amokläufe. In Starnberg, der reichen Stadt am See, hat man andere Sorgen. Es ging um die Enten, deren überbordende Zahl der Jäger Ambacher reduzieren wollte. Seinen Widersachern hat er gesagt: "Dann schießen wir eben nix, und die Enten sollen flächendeckend die Seepromenade zudrecken.Das habt ihr dann davon. Aber ein toter Vogel scheißt nicht."

Die starken Sprüche sind auch ein Versuch, die Ideologen in den eigenen Reihen zu beruhigen und zu integrieren und so den Verband schlagkräftig zu halten. All den kleinen Schützen-Organisationen, die mit scharfer, mitunter hysterischer Polemik "Amokläufe gegen die Schützen" beklagen, ist er bewusst fern geblieben. Ambacher sammelt keine Waffen, besitzt nicht einmal eine Pistole, nur Jagdgewehre.

Denkt er an seinen Ausfall von 2003 zurück, sagt er: "Der Schröder und der Fischer sind inzwischen weg aus der Öffentlichkeit. Aber ich bin immer noch da."

© SZ vom 24.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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