Schondorf:Wortlose Performance

Lesezeit: 2 min

Der Künstler Andreas Kloker aus Schondorf entwirft in der Karwoche einen Raum der Stille. Alljährlich ist er in dieser Zeit mit seiner Mal-Aktion zu Gast im Studio Rose

Von Katja Sebald, Schondorf

Längst ist Ostern das neue Weihnachten. Während immer weniger Menschen wissen, was genau an Ostern gefeiert wird, kaufen sie gleichzeitig immer größere Geschenke. Ostereier gibt es bereits ab Aschermittwoch und das Ende der Fastenzeit gleicht dem Konsumrausch im Advent - der ja in lange vergangenen Zeiten ebenfalls eine Zeit des Fastens war. Inmitten des vorösterlichen Trubels schafft der Künstler Andreas Kloker aus Schondorf einen Raum der Stille: Alljährlich in der Karwoche ist er an drei Abenden mit seinen Elementar-Zeichnungen zu Gast im Studio Rose in Schondorf, noch einmal an diesem Gründonnerstag um 20 Uhr.

Flüchtige Bilder: Andreas Kloker bringt seine Zeichnungen mit Wasser auf Schiefertafeln auf und sie verändern sich während des Trocknens durch die Wärme der Luft. (Foto: Nila Thiel)

"Vor Ostern", so der schlichte Titel der Performance, gleicht einem minimalistischen Theater ohne Worte. Klokers Elementar-Zeichnungen sind flüchtige Bilder, die mit Wasser auf Schiefertafeln aufgebracht werden und sich praktisch sofort durch Wärme und Luft verändern, sodass während des Trocknens immer wieder neue Bilder entstehen, bis sie zuletzt ganz leise vergehen. Beinahe ebenso minimalistisch ist die Musik, mit der Ulrich Hohmann die Performance begleitet. Fast möchte man sagen, dass durch seine Klangbilder aus filigraner Percussion und elektronischen Sound-Gespinsten die Stille noch stiller wird. Beinahe umgehend entsteht im Raum eine konzentrierte Atmosphäre. Und schließlich erwächst daraus einer jener ebenso glückvollen wie seltenen Momente, in denen Publikum und Akteure gemeinsam abheben.

An der Nordwand des Ausstellungsraums mit seiner ohnehin schon sakralen Anmutung hat Kloker drei doppelt mannshohe Schiefertafeln aufgestellt, die zu einem Altar der Stille werden. Er beginnt mit zwei Kreidezeichnungen auf den beiden äußeren Tafeln, aus einer ununterbrochenen Linie wird eine menschliche Figur, die wie in einen Kokon eingesponnen erscheint. Wenn er diese Zeichnungen mit einem nassen Pinsel in kreisenden Bewegungen abwäscht, bleiben nassschwarze Ornamente und dann irgendwann wieder ruhige graue Flächen für neue Bilder zurück. Auf dem Boden vor den Tafeln hat Kloker seine Werkzeuge ausgebreitet, immer wieder nimmt er auf einem kleinen Hocker Platz und beobachtet selbst das Miteinander und Nacheinander der Bilder. Jedem Ding widmet er die gleiche Aufmerksamkeit, jeder Gegenstand erscheint sorgfältig ausgewählt, hat seinen eigenen Platz und mit all seinen Gebrauchsspuren eine besondere Schönheit: der Wassereimer und der Hocker ebenso wie die Leiter und die verschieden geformten Pinsel und Schwämme. Es ist eine ruhige Choreografie der Werkzeuge, der Bewegungen, der Bilder und der Gedankenbilder.

Ins Zentrum seiner Performance stellt Kloker ein Gedicht von Paul Celan: "EINMAL / da hörte ich ihn / da wusch er die Welt. / ungesehn, nachtlang, / wirklich. / Eins und Unendlich, / vernichtet, / ichten. / Licht war. Rettung." Etwa in der Mitte der Aufführungszeit schreibt er mit einem nassen Pinsel diesen Text auf die mittlere Tafel. Während die Schrift nach und nach verblasst, bleiben Wasserspuren wie langsam trocknende Tränen auf dem grauen Schiefer zurück. Manche Bilder halten sich hartnäckig, andere sind scheu und bleiben nur kurz sichtbar. Manchmal muss Kloker selbst seine Welt waschen. Der Kopf, über dem eine schwere Wolke der Gedanken wie dunkler Rauch schwebt, muss mit einem kleinen Ventilator zum Verschwinden gezwungen werden, eine fein geschwungene breite Pinsellinie, die über alle drei Tafeln aufsteigt, verliert sich zart im Oben. Eine kreisrunde Pinselspur, wie eine mächtige Baumscheibe mit ihren vielen Jahresringen, bildet das Schlussbild. Vieles wird an diesem Abend ohne Worte gesagt, aber genauso viel bleibt offen.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: